Sonntag, 15. März 2015

98 Die wilde Kommune von Geidorf, Teil zwei, oder der „seitenverkehrte Burgenländerwitz“ (Heimito von Merowinger)


Im Großen und Ganzen sind wir mit den anderen Mietern im Haus gut ausgekommen. Zumindest soweit ich mich erinnern kann und soweit ich es überhaupt mitbekommen habe.
Dazu hat auch beigetragen, daß der Wohngemeinschaftsgenosse Rudi sich's mit dem Hausmeister gut geredet hat. (Ich weiß, veraltete und dialektale Ausdrucksweise! Aber trotzdem!) Er konnte gut mit dem Hausmeister reden, so von Burgenländer zu Burgenländer.
Dadurch wurde hausintern sicher einiges abgefangen.

In unserer WG lebte auch Ali, ein Mann aus Persien, ein großer Jazzkenner. Es kamen viele seiner persischen Freunde zu uns auf Besuch. Die meisten von ihnen aus einer ganz anderen Welt, Familienväter in verantwortungsvollen Berufen zum Beispiel. Also gingen auch „viele Ausländer dort ein und aus“, wie die Dame im Erdgeschoß feststellte. Aber das ist jetzt nicht das Thema.

Alis Familie lebte in London und er hatte einen Zwillingsbruder, der ihm aber gar nicht ähnlich sah. Ali war schlank und durchtrainiert, sein Bruder wirkte etwas dicklich und unbeholfen. Und dieser Bruder war einmal längere Zeit bei uns auf Besuch. Wir verstanden natürlich nicht, was sie untereinander sprachen, aber daß es manchmal Spannungen gab, war spürbar und hörbar. Könnte sein, daß Ali seinen Bruder aufforderte, sich mehr an der Haushaltsarbeit zu beteiligen, wenn er hier wohnt. (Äh!? Was hat heute in der Früh meine Frau mir gegenüber angedeutet?)

Also nahm der Mann eines abends – es muß im Winter gewesen sein – beherzt die Asche aus dem Ofen in Alis Zimmer und trug sie die Stiegen hinunter in den Keller und warf sie in den Mistkübel.

Was wir nicht wußten: der gute Mann hatte ein eigenartiges Verhältnis zu Feuer, so in Richtung unbewußte Pyromanie. Das Haus der Familie in London hatte er einmal – unabsichtlich – in Brand gesteckt und hat dann, von dem, was da jetzt passierte, überfordert, das Haus verlassen, ohne die Feuerwehr zu rufen und ging, nachdem er das Gartentor noch brav zugesperrt hatte, einfach weg. Es waren die Nachbarn, die die Feuerwehr alarmierten. Wie groß der Schaden war, weiß ich nicht.
Wie gesagt, das wußten wir nicht, sonst hätten wir wahrscheinlich die Asche, bevor er sie hinunterträgt, kontrolliert.

Alis Freundin – sie hatte gar keinen Haustorschlüssel – kam gegen zwei Uhr morgens nach Hause, nahm den gewohnten Schleichweg über den Keller an den Mistkübeln vorbei – eine Kohlenkellertür war immer unversperrt – und stellte fest, es raucht. Irgendwas brennt. Ein Mistkübel stand in Flammen und sie schlug Alarm.
Große Aufregung, alle Hausparteien im verrauchten Stiegenhaus, die Wohngemeinschaft uns gegenüber weckte schon ihre kleinen Kinder auf um rechtzeitig raus zu kommen, aber der Mistkübel war schnell gelöscht. Nichts passiert. (Ich kann mich nicht erinnern, ob mit oder ohne Feuerwehr – ich glaube ohne, aber ich habe - scheinanwesend wie ich bin – oft nur unscharfe Erinnerungen.)

Das war jetzt schon eine blöde Geschichte. Und nicht mehr ganz harmlos. Der burgenländische Hausmeister wollte mit uns darüber reden. Aber sein „natürlicher“ Gesprächspartner, der Burgenländer Rudi, war gerade verreist. Also sprach er mich an. Er war ein wirklich freundlicher Mann, vorsichtig, wie mit einem etwas unreifen, unverständigen Kind – womit er bei mir zwar nicht in dieser Sache, aber im Grunde nicht einmal so daneben lag – versuchte er mir klar zu machen, daß glühende Asche in den Mistkübel nicht geht.
Wenn ich jetzt an diesen Mann denke, bin ich ob seiner gütigen Umsicht und Obsorge gerührt und könnte ihn umarmen.
Trotzdem: die Pointe kann ich nicht auslassen. Er sagte zu mir:

Ihr müßt's schon aufpassen mit dem Feuer und aufpassen, daß keine Glut in der Asche ist. Weil, das geht nicht! Ich mein', daß der Perser sich mit dem Feuer nicht auskennt, versteh' ich! Aber der Rudi! Der Rudi ist doch ein Burgenländer!“

Guter Mann, bitte verzeih mir. Und im oberen Absatz heißt "ich kann nicht" -  "ich will nicht".



©Peter Rumpf 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite