103 Fahne auf Halbmast
Es war gegen Ende meiner Grazer Zeit.
Ich hatte begonnen, mich von den Selbstverständlichkeiten das linken
Common Sense wegzubewegen, lebte aber immer noch in diesem Kosmos.
Das Thema, an dem sich mein Dilemma zuspitzte, waren die Länder des
„real existierenden Sozialismus“, umgangssprachlich der Ostblock.
Es herrschte auch unter den diesen Ländern und Regimen kritisch
gegenüberstehenden Linken ein Klima, diese gegenüber den
„Bürgerlichen“ mehr oder weniger zu verteidigen. „Ja, schon,
aber … auch...“ „Es stimmt schon, daß in der DDR die
Meinungsfreiheit eingeschränkt ist, aber auch in der BRD gibt es
Berufsverbote.“ „Ja, in der Sowjetunion gibt es zweifelhafte
Dinge, aber auch in Chile werden....“ „Das sind Maßnahmen einer
schwierigen Transformation, weil der sozialistische Mensch noch
nicht...etc.“ etc.
Manchmal verteidigte man das Unhaltbare
umso verbissener, je stärker man das Bauchweh deswegen spürte und
das eigene Unbehagen nur mehr schwer zu unterdrücken war. Aber die
„antibürgerliche“ und erst recht die „antifaschistische
Solidarität“ wurden eingefordert, besonders vehement von den der
Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) Nahestehenden.
Da gab es schon auch lustige Momente.
Zum Beispiel als wir „Antifaschisten“ - wenn ich mich richtig
erinnere eine Koalition von KPÖ bis Reformkatholisch – den
„Steirischen Frühling“ störten. Der „Steirische Frühling“
war damals eine Gegenveranstaltung von Rechten und Deutschnationalen
gegen den steirischen herbst, in dem die deutsche Kultur gegen die
Zersetzung durch die „herbstliche“ Unkultur hochgehalten werden
sollte. Ich meine, heute lese ich den Peter Rosegger gerne und den
Wolfgang Bauer ...na ja; aber damals war es klar, auf welche Seite man
sich zu stellen hat und beim „Steirischen Frühling“ spielten
auch echte Nazis mit; insoferne stehe ich auch heute noch zu diesem
Engagement.
Wir Antifaschisten störten also die
Veranstaltung und versuchten, in den Veranstaltungssaal einzudringen.
Wer dort vorgetragen oder gelesen hat, weiß ich nicht mehr, aber es
war eine schon recht braune Geschichte. Es wurde die Polizei - die
österreichische wohlgemerkt – gerufen, um uns zu vertreiben. Als
die Polizei auf uns losgehen wollte, sangen wir - mehrheitlich
vaterlandslose Gesellen - die österreichische Bundeshymne.
Die Idee kam – man ist versucht zu
sagen: natürlich – von den KPÖ-nahen Teilnehmern. Die
Deutschnationalen in Österreich haben ja immer gespottet, die Idee
einer österreichischen Nation sei eine kommunistische Mißgeburt.
Also war das Österreich-Pathos der KPÖler schon glaubwürdig. Was
mich betrifft – gut, sub specie aeternitatis, Nationen entstehen
und vergehen – aber wenn es so etwas wie Nationen gibt, dann bin
ich gerne österreichischer Nationalität. (Auch heute, am 26.3.2015,
der Vorabend des Fußballspiels unserer Nationalelf gegen
Liechtenstein! Vielleicht stehe ich morgen bei der Bundeshymne auf).
Also, jetzt konnte die österreichische
Polizei schwerlich auf uns, die österreichische Bundeshymne
Singenden einschlagen, das hätte ein schlechtes Bild ergeben. Ich
weiß nicht, wer die Hymne „im Ernst“ gesungen hat und wer nur
„taktisch“, für mich war es doch – heimlich – ein bewegender
Moment. (Das war mir sowieso immer am Liebsten: mit „Bravsein“
rebellieren.)
Aber allmählich hatte ich genug von
der falschen Solidarität des linken Antifaschismus – Wolf Biermann
und seine Ausbürgerung spielten für mich dabei eine entscheidende Rolle -
und ich begann, die Verbrechen der sogenannten sozialistischen Länder
– ob Ostblock oder China – aufzuarbeiten. Ich las viel darüber,
vor allem noch linke Berichte und Analysen, von verfolgten oder
kritischen Kommunisten und Sozialisten, Trotzkisten, Anarchisten und
sonstigen Linken; immer weiter ging ich vor: zuerst die Einverleibung
des Ostblocks in den Sowjetbereich – im Hinterkopf noch die These
vom guten Beginn bei der russischen Revolution und dem Abstieg bei
Stalin – dann China und Satelliten – die selbst bei konservativen
Westlern unbekannten Hungersnöte in Maos Reich, dann immer weiter
bis zur russischen Revolution selber, der willentlich herbeigeführten
ukrainischen Hungersnot, weiter bis zu Trotzki mit seiner roten Armee
(Kronstadt), alles, alles wurde von mir durchforstet und in meinem
Gehirn aufgearbeitet.
Die Energie dafür kam von meinem Zorn
über mich selber, darüber, daß ich so lange mitgespielt hatte.
Mein Selbstverständnis war immer noch links, wenn ich mich auch
immer mehr als Einzelkämpfer sah.
Irgendwann wollte ich das von mir
Aufgearbeitete nach Außen tragen und es regelrecht „verkündigen“,
den Leuten zeigen, was ich herausgefunden habe, sie aufklären, auf
unsere Irrtümer aufmerksam machen.
Und es ergab sich dann bald eine
Gelegenheit. Der Kommunistische Studentenverband (KSV) war in der
linken Szene berühmt für seine Mensafeste. Die waren gut besucht,
das Programm mehrheitstauglich mit den linken Gitarrenliedern
(Jungscharabend, wie wir Avantgardelinken immer schon spotteten),
Franz Stephan sang Beatlessongs, kurze politische Beiträge,
manchmal kabaretthaft vorgetragen, nette, heimelige Abende mit linker
Unterhaltung.
Es war wieder ein Mensafest des KSV
angekündigt und wie ich auf dem Einladungszettel las, soll auch
„eine deutsche Genossin über die Berufsverbote in der BRD“
sprechen.
Das war mein Anknüpfungspunkt. Ich
schrieb eine Brandrede, stieg mit meiner Erklärung zur Solidarität
mit dem Kampf gegen die Berufsverbote in der BRD ein, um mich dann
auch mit dem Kampf gegen die Berufsverbote in der DDR solidarisch zu
erklären. Aber das war nur der Startschuß für meine
Generalabrechnung. Alles, alles zählte ich auf: Eisener Vorhang mit
Todesopfern, Gulag, alles was ich damals wußte.
Ich hatte die ganze Bußpredigt schön
auf meine Zettel geschrieben und stapfte aufgeregt und tapfer zum
KSV-Fest. Ich trank ein Vierterl Rotwein als Brandbeschleuniger und
als die Genossin aus der BRD, die über die Berufsverbote dortselbst
referieren sollte, ans Mikrophon trat, erlebte ich einen kurzen
Schock! Es war die Freundin eines der Hauptmitbewohner meiner
Wohngemeinschaft, die defacto bei uns in der WG lebte. Der KSV hat es
immer gut verstanden, Leute von außen, die nicht zu ihrer Partei
gehörten, in ihr Programm einzubauen, um eine große Breite und den
Anschein von Toleranz zu „erzeugen“.
So! Was jetzt? Ich wußte nicht, daß
sie das vorhatte und sie auch nicht, was ich vorhabe, denn ich hatte
niemandem davon erzählt.
Es war zu spät. Ich konnte und wollte
nicht mehr zurück. Kaum war sie mit ihrer Rede fertig, stieg ich auf
die Bühne, nahm das Mikrophon und erklärte mich mit dem Kampf gegen
die Berufsverbote in der BRD solidarisch, aber dann begann meine
Brandrede!
Ich hatte das sehr gut gemacht, ich war
so selbstverständlich hingegangen, nahm das Mikrophon so
selbstverständlich, als gehörte ich zum Programm, sodaß die
Genossen von der KPÖ verzögert reagierten. Meine ganze Wut und
meine Frustration darüber, so lange da mitgetan zu haben
schleuderte ich in den Saal, Punkt für Punkt nannte ich alles beim
Namen: Hinrichtungen nannte ich Hinrichtungen, Erschießungen
Erschießungen, den Gulag ein System von Zwangarbeits-, Straf- und
ganz schlimmer Ausbeutungslager und so weiter. Was für eine
Befreiung, die Dinge beim Namen zu nennen! Im Saal wurde es still.
Als mich die Genossen vom KSV vom Mikrophon wegzerren wollten, hatte
ich schon den Großteil meiner Rede von der fehlenden
Meinungsfreiheit in den Ländern des realen Sozialismus ins Publikum
gedonnert. Ich ließ mich auch nicht wegzerren und leistete „passiven
Widerstand“. Damit es kein Mißverständnis gibt, sie taten mir
überhaupt nicht weh, Franz Stephan versuchte lediglich, mich von der
Bühne weg zu bringen. Er merkte jedoch, daß er damit genau das
bestätigte, was ich in meiner Predigt anprangerte. Ich ging auch
nicht weg, bis ich mit der Rede fertig war und sie mußten säuerlich
zuschauen.
Zunächst war es also still im Saal,
aber bald kamen „Bravo!“ und „Aufhören!“ Zwischenrufe. Das
Publikum war gespalten: die KP-Leute waren gegen mich, aber hielten
sich eher zurück, andere applaudierten mir. Viele aber fühlten sich
auf ihrem Fest gestört, das waren die „Hedonisten“ (man verzeihe
mir solche Zuschreibungen). Diese wollten – wenn ich das aus
männlicher Sicht beschreiben darf – etwas trinken und Weiber
„aufreißen“, den Politschmarrn nahmen sie in Kauf, solange er
sie nicht störte. Das ist jetzt schon sehr unfair gezeichnet, aber
„Idealisten“ wie ich hegen eine besondere Verachtung für diese
genießerischen Genossen, die nur ihren Spaß haben wollen, egal,
unter welcher Fahne er daherkommt. Wobei da schon eine Portion Neid
in dieser meiner Verachtung enthalten gewesen sein dürfte, nicht
wahr? Saure Trauben...
Die Stimmung im Saal war also
gespalten. Dann machte Franz Stephan einen – wie ich finde –
genialen Schachzug: er redete mich persönlich an: „Peter, das ist
unser Fest und du störtst es jetzt; das ist nicht fair. Wir
versprechen dir, einen Diskussionsabend zu veranstalten, wo du auch
eingeladen sein wirst, zu all diesen Themen. Aber jetzt laß uns unser
Fest weiterfeiern!“
Da war ich einverstanden und verließ
die Bühne. Das Fest ging mit Lied und Gesang weiter, wie mir schien,
die rote Fahne nur mehr auf Halbmast.
Das Versprechen einer Diskussion zu
diesen Themen wurde vom KSV eingelöst. Sie veranstalteten eine
Podiumsdiskussion zu der sechs Leute fürs Podium nominiert wurden –
ein Vertreter der Maoisten, einer von den Trotzkisten, einer vom
sozialistischen Studentenverband – das war dann ich, wenn ich auch
schon nicht mehr Mitglied beim Vsstö war, ein Student vom KSV, noch
ein Dozent von der KPÖ und ein echter kommunistischer Arbeiter, auch von
der KPÖ. Schlau eingefädelt, aber sie waren ja auch die
Veranstalter. Das Konzept vermutlich darauf ausgelegt, zu dritt die
drei Gegner untereinander auszuspielen – unterschiedliche
Auffassungen zu den diskutierten Themen gab es genug. Und dann noch
ein echter Arbeiter! Nahezu sakrosankt.
Ich hatte mich gut vorbereitet, jeder
von den Leuten am Podium hielt ein Eingangsstatement und meines war
ganz gut. Nur in der Diskussion war ich schlecht. Das liegt mir nicht,
so ein Schlagabtausch, wo es um das Gewinnen und nicht um das
Herausfinden der Wahrheit geht. Nein, da bin ich nicht schlagfertig
und muß viel zu lange nachdenken. Ich bin nicht gut in Diskussionen, ich bevorzuge Gespräche, wo man davon ausgeht, daß es auch dem anderen um Wahrheit, Wissen und Erkenntnis geht. Oder ich gebe eben mein vorher vorbereitetes Statement ab, drehe mich dann um, steige von der Kanzel respektive vom Podium wieder herunter und kümmere mich nicht darum, was die Zuhörer annehmen wollen und was nicht.
Ich kann mich an die Details nicht mehr
erinnern, nur, daß der kommunistische Arbeiter über mich sagte: „Er ist nicht
schlecht! Er meint es gut! Er ist nur irregeleitet!“ Da glaubte ich
den Franz Stephan herauszuhören.
Es drängte mich auch, ganz alleine und
ohne zuviel Diskussion mit irgendwem ein Flugblatt herauszugeben,
indem ich nochmals mit allem abrechnete. Ich weiß nicht mehr sicher,
was zuerst war – das Mensafest oder das Flugblatt. Ich glaube, das
Mensafest.
Dieses Flugblatt strotzt nur so von
linkem Jargon, daß ich es heute ungern lese, aber dennoch habe ich
wichtige Selbstverständlichkeiten formuliert. Zuerst zählte ich ein
paar Unfreiheiten und Unterdrückungsmethoden in den Ländern des
real existierenden Sozialismus auf und die Selbstverständlichkeiten
klingen dann so: „Für uns Linke ist es notwendig für unsere
Glaubwürdigkeit, zu allen diesen Sachen klar und eindeutig Stellung
zu beziehen. Nicht die Kritik an diesen Ländern nützt der
Reaktion, sondern die Schandtaten dieser Regime und unsere
Zweideutigkeit sind es, die der Reaktion die Argumente liefern.“
Ich möchte jetzt nicht herummeckern,
daß das immer noch eher so klingt, als ginge es nur um unsere
Glaubwürdigkeit und nicht um das Leid der Menschen in diesen
Ländern. Und daß das noch ziemlich nach Bürokratensprache
schmeckt. Mein Anliegen war trotzdem echt. Oder ein anderer Satz:
„auch wenn ein Reaktionär wie Solschenyzin von Lagern in der
UdSSR schreibt, so ist deswegen das Faktum, daß es diese Lager
gegeben hat/gibt, nicht weniger schrecklich!“
Lustig noch die Signatur, die ich dem
Flugblatt am Schluß beigefügt habe, besonders für astrologische
Feinschmecker – von wegen typische Fischeformulierungen:
„Initiative für einen wirklich realen
Sozialismus“.
Als
ich das Flugblatt an der Uni Graz verteilte, kam auch ein mir gut
bekannter Student des KSV daher und als er es las, wurde er zornig
und sagte - sinngemäß, wörtlich weiß ich es nicht mehr: „Peter,
jetzt spinnst wirklich! Du gehörst ins Irrenhaus!“ Ein paar
Kilometer weiter im Osten hätte er möglicherweise dazu die Macht
gehabt. Aber man muß fairerweise festhalten: man kann nie wissen,
wie ein Mensch sich unter anderen Bedingungen verhält. Wäre er im
Ostblock aufgewachsen und hätte er dort gelebt, vielleicht hätte
sich dort auch sein rebellischer Geist durchgesetzt und er hätte in
der Opposition gegen die bestehenden Verhältnisse gekämpft. Wer
will das wissen?
Und
wenn ich ihm heute begegnen würde? Sagen wir, zufällig auf der
Straße? Ich glaube, ich würde lachen und ihm die Hand geben – ich
gehe davon aus, daß auch er eine Entwicklung durchgemacht hat. Ich
habe keinen Grund, gegen ihn noch einen Groll zu hegen. Was
ideologische Verblendungen betrifft – da steh ich ihm in nichts
nach. Meine linke Verblendung war nicht meine letzte und unter
welcher Fahne sie daherkommt ist doch egal.
Außerdem
denke ich an ein Gespräch, das ich mit diesem Mann hatte, in der
Zeit vor all diesen Auseinandersetzungen, die ich hier geschildert
habe. Er hatte mitbekommen, daß ich dabei war, mich zu versaufen und
mein Studium zu verplempern und daß ich unglücklich war. Bei
irgendeiner Gelegenheit bat er mich zur Seite, um mit mir unter vier
Augen zu reden. „Peter, mach dein Theologiestudium fertig und dann
komm zu uns!“ Freilich, einen Theologen in ihren Reihen zu haben
wäre für die KPÖ nicht schlecht gewesen, in der Hoffnung, damit
andere Bevölkerungsschichten erreichen zu können. Aber ich glaube,
er war auch wirklich besorgt um mich. Und dann sprach er mich wegen meiner
Probleme mit den Frauen an, aber sehr sensibel, nur indirekt, indem
er von sich redete: daß er am liebsten ein anständiges Mädchen
heiraten und mit ihr Kinder haben wolle. Er wollte mir damit eine
andere Perspektive zeigen, und damit hatte er recht. Das war schon
das, was man jemandem von meiner Art und in meiner Situation sagen
konnte. Ich fühlte mich in diesem Gespräch auch geachtet, mehr, als
ich mich selber achten konnte damals. Freilich,
annehmen konnte ich das nicht und mußte es als spießig abtun. Aber ich werde ihm das immer
hoch anrechnen. Danke!
Meine
Abrechnung mit den linken Blindheiten brachte mir immer mehr Gegner
ein. Auch Leute, die zunächst auf meiner Seite waren, sprangen ab.
Zum Beispiel, als ich mir Kuba vornahm: „Nein, Kuba läßt du mir in
Ruhe! Kuba darfst du mir nicht zerstören!“ Für mich gab es aber
kein Zurück. Dann merkte ich jedoch, wie ich in der Szene immer
scheeler angesehen wurde. „Der Rumpf, der hat psychische Probleme!“
Da war ja zutreffend, aber es wurde genutzt, um mir nicht mehr
zuhören zu müssen und meine Argumente nicht mehr ernst zu nehmen.
Da bekam ich Angst, richtig Angst und das war der Beginn meines
Ausstiegs aus der Szene.
Nachtragen
will ich noch eine lustige Begebenheit beim Anmelden meines
Flugblattes. Eigentümer, Herausgeber, Verleger: Peter Rumpf; für
den Inhalt verantwortlich: Peter Rumpf; Druck: Österreichische
Hochschülerschaft – so stand es im Impressum. Ich wollte alles
ganz korrekt machen, darum wollte ich das Flugblatt auch bei der
Polizei anmelden. Das war überkorrekt, denn niemand kümmerte sich
um die Flut von Flugblättern auf der Uni.
Ich
ging also von Geidorf durch den Grazer Stadtpark zum Kommissariat
Paulustorgasse, um mein Flugblatt anzumelden. Auf dem Weg traf ich
zufällig Wolfgang Pumpernig, einen ehemaligen Achtundsechziger
Revoluzzer, zu dem ich bewundernd aufblickte. Er fragte mich, wo ich
hingehe und ich sagte es ihm. „Ich komme mit!“, antwortete er.
Mir war es nicht ganz recht – ich wollte dieses Flugblatt ganz als
meine Sache durchziehen, aber ich sagte: „ja, gut.“
Wenn
man vom Stadtpark kommend durchs Paulustor geht, muß man noch ein
schönes Stückerl am Gebäude, in dem die Polizei untergebracht ist,
entlang gehen, bis man zum Eingang des Kommissariats kommt. Und da passiert man auch den Hintereingang, der zum Polizeiparkplatz
führt und ins Polizeigebäude, in dem sich noch dazu ein
berüchtigtes Gefängnis befand. Als wir diesen Hintereingang
erreichten, sagte Pumpernig: „Wir gehen gleich da rein!“ Groß
und deutlich stand da eine Tafel: „Nur für Polizeiangehörige!
Unbefugten Eintritt strengstens verboten!“ „Nein!“, sagte ich,
„siehst eh was da steht!“ Ich war ja auch als Linker im Grunde
ein ängstlicher, autoritätsgläubiger Mensch, ich fürchtete mich
vor Polizei, Lehrern etcetera und so etwas wollte ich gar nicht!
„Nein, nein, nein," insistierte ich ängstlich, aber Pumpernig sagte nur:
„komm schon!“ und ging zum Hintereingang. Gehorsam folgte ich ihm
und kaum hatten wir das Tor in den Hof duchschritten, stand schon ein
Polizist vor uns und bellte uns an: „Da könnts nicht duchgehen!
Steht eh draußen am Tor!“ ich denke mir, das war genauso zu
erwarten und will mich schon umdrehen und hinausgehen, als der
Pumpernig - von seinen Gefängnisaufenthalten hier in den
Achtundsechziger Wirren mit Haus und Hierarchie bestens vertraut
- zum Polizisten sagt, aber in wirklich scharfem, befehlenden Ton:
„ich möchte sofort mit dem Sowieso sprechen!“ Mit Titel und
allem drum und dran. Da schlug der Polizist seine Haken zusammen,
salutierte und wir, langhaarig und bärtig, in schlampiger
Studentenkleidung, schlurften durch den Hof und betraten ungehindert
über diese Abkürzung das Kommissariat. Das was eine typische
Pumpernig - Aktion. Über ihn gibt’s viele Geschichten, aber die
habe ich selber erlebt.
©Peter
Rumpf 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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