Montag, 13. April 2015

111 Traumanruf


Ich sinke in den Traumzustand, weil ich jemanden anrufen will. Wie im Sog zieht es mich nach unten und ich sehe schon die Bilder des Traumes, aber noch ganz verschwommen. Und zu schnell, um sie festhalten zu können.
Wie mit einem Lift fahre ich nach unten, ich spüre die Abwärtsbewegung fast als leichten Schmerz im Bauch.

Gerade als ich stehenbleibe und die Bilder aufhören, sich zu bewegen, fällt mir ein, daß ich mein Handy ja im Wachzustand oben liegen habe und sofort zieht es mich wieder hinauf.
Auch dieses Ziehen spüre ich im Bauch oder aus dem Bauch heraus. Und wieder sausen die Bilder als helle, warme Farben unhaltbar an mir vorbei.

Oben schäle ich mich aus dem nicht geträumten Traum, irgendwelche Traumfetzen umschwirren noch meinen Kopf, kaum wahrgenommen, schon vergessen. Nur mein Herz klopft deutlich und stark; unterm Nabel noch die Vibrationen von Sog und Ziehen. In den Ohren summt und surrt es wie wild.

Nur mühsam kann ich mich durchringen, das Licht neben meinem Bett aufzudrehen, mir die Pölster in den Rücken zu schieben, die Beine anzuziehen, das Notizbuch vor mich hinzulegen, die Lesebrille aufzusetzen, den Kugelschreiber in die Hand zu nehmen und zu schreiben zu beginnen.

Mein Bewußtsein taumelt noch herum. Mein Geist schaut seinem Zerfall zu. Meine Erinnerung weiß nicht mehr, woran sie sich erinnern will. Das meiste ist schon wieder vergessen.
Ich habe keine Ahnung, wen ich anrufen wollte.

Mir fallen viele Wörter nicht ein. Wie heißen diese kleinen Karten, meistens mit Name, Adresse, Telephonnummer, die man jemandem gibt, um in Kontakt zu kommen oder zu bleiben?

In den Ohren saust es immer noch wild. Die Katze kratzt an der Tür und will herein. Der Wecker tickt wieder einigermaßen gleichmäßig, nur manchmal etwas lauter und leiser; und als ich genauer hinhöre – mit leichtem Dopplereffekt, als würde die Uhr sich bewegen. Oder als würde der Wecker schwerfällig über unebenes Gelände stapfen.

Visitenkarten! Genau! Visitenkarten. So heißen die Dinger!


©Peter Alois Rumpf April 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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