Montag, 8. Oktober 2007

19 Vergleiche

Durch die Beschäftigung mit Carlos Castaneda einerseits und dem Christentum (und der Münchner Rhythmenlehre) andrerseits bin ich schon auf die Idee gekommen, manches zu vergleichen – auch wenn das fragwürdig ist. Schließlich geht es ja darum, sein Leben in Balance zu bringen und so zu ändern, dass der „energetische Zwilling“ (oder wie man seinen sehenden, transzendenten Teil nennen will) mit seinen Botschaften durchkommt und schließlich zur „Ganzheit des Selbst“ (C. Castaneda) integriert wird; aber nicht darum, verschiedene Denkmodelle zu vergleichen und gegeneinander auszuspielen und für die dualen Spielchen des Ego zu verwenden. Oder wie es bei Castaneda und seinen Leuten heißt: „Philosophen sind meist gescheiterte Zauberer“, sie denken und reden, aber sie sehen nicht – ähnlich, wie auch Theologen gescheiterte Christen sein können.

In der schamanistischen Tradition des Carlos Castaneda wird der Name „Tonal“ verwendet für alles, was es gibt, unter dem Aspekt, dass es uns bekannt ist. Der Name „Nagual“ für alles unter dem Aspekt, dass es uns unbekannt ist. Fürs „Tonal“ haben wir Begriffe, Ideen, Bilder, etc., fürs „Nagual“ nichts dergleichen. Tonal und Nagual sind nur Namen, um den eigentlichen und ursprünglichen Gegensatz zu bezeichnen, wobei das Bild, dass das Tonal wie eine Insel im Meer des Nagual schwimme, verwendet wird, um uns eine vage Ahnung vom Verhältnis zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten zu geben.

Mit dem Tonal haben wir es zu tun, wenn wir auf die Welt „schauen“, mit dem Nagual, wenn wir „sehen“. Beim „Schauen“ reduzieren wir die Welt auf die uns bekannten Raum- Zeitkoordinaten, Dinge usw., beim „Sehen“ nehmen wir die Welt so wahr, wie sie eigentlich ist. Das Tonal ist das Ergebnis unserer kollektiven Übereinkunft über die Art und Weise unserer Wahrnehmung, vom ersten Augenblick der Geburt eingeübt, und hat daher mit uns als sozialer Person zu tun: diese Konstruktion konstruiert (und reduziert) nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern auch uns als soziale Person. Nur über diese soziale Person ist eine Psychologie möglich. Jenseits des Tonal, im Nagual, gibt es keine Begriffe etc., daher auch keine soziale Person, daher entzieht sich dieser Bereich einer Psychologie. Das gilt auch für einen Menschen, der seinen „Zwilling“ integriert hat; auch über ihn und sein Wirken ist kaum eine Psychologie möglich und kaum eine Bewertung. Deshalb schreibt auch Romano Guardini im Vorwort zu seinem Buch „Der Herr“ ganz richtig, dass es keine Psychologie Jesu geben kann, respektive nur in sehr engen Grenzen.

Es könnte ja sein, dass in der christlichen Lehre von der menschlichen und der göttlichen Natur Christi und ihrer Einheit (unvermischt, untrennbar, ungeteilt) das Verhältnis von Tonal und Nagual in uns als menschliche Lebewesen zu artikulieren versucht wird; (Nachtrag dazu 21.4.2009: C.Castaneda, Der Ring der Kraft, Seite 275: "...das Tonal und das Nagual sind zwei zusammengehörige Teile unseres Selbst. ... Sie können nicht ineinander übergeführt werden.") nämlich die Tatsache, dass wir nicht nur Anteil am „Tonal“, sondern über die fast unterbrochene, aber eben nicht trennbare Verbindung zu unserem energetischen Zwilling, der beim Alltagsmenschen ein weggedrängter Teil von uns ist, einen Anteil am „Nagual“ haben, und den wir zu einer Einheit mit dem anderen Teil führen können - zur „Ganzheit des Selbst“, in der sich die „soziale Person“, das Ich, zum eigentlichen Selbst weiterentwickelt und ganz dem Wirken der Unendlichkeit fügt. (Nachtrag 21.4.2009: wie es auch einem christlichen Dogma heißt, dass Christus entsprechend seinen zwei Naturen zwei Willen hatte und dass sich sein menschlicher Wille dem göttlichen fügte)

Es könnte ja sein, dass sich in der Lehre von der natürlichen und der übernatürlichen Gotteserkenntnis und ihres Verhältnisses zueinander die Ahnung von den beiden Möglichkeiten der Wahrnehmung - als „Schauen“ und als „Sehen“ - irgendwie widerspiegelt. Denn unser „stilles Wissen“ (Castaneda) versucht auch bei uns Alltagsmenschen ständig ins Bewusstsein durchzukommen.

Die Frage bleibt aber, ob in der Lehre von Jesus als Sohn Gottes diese oben beschriebene Möglichkeit der Einheit der „zwei Naturen“ (Tonal und Nagual) nicht doch von uns normalen Menschen weggeschoben wird, während sie in Wirklichkeit allen Menschen zustünde.

Oder, wie es bei Castaneda heisst: „I know that human beings are creatures of awareness, involved in an evolutionary journey of awareness, beings unknown to themselves, filled to the brim with incredible resources that are never used,“ (Magical Passes) und: „Die Welt ist unergründlich. Wir sind es auch, genau wie alle Wesen, die es auf dieser Welt gibt.“ (Das Rad der Zeit; Seite 125).

© Peter Rumpf 2007

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