Montag, 8. Oktober 2007

14 Schicksal

Wenn vom Schicksal die Rede ist, können zwei ganz verschiedene Sachverhalte gemeint sein.

Zum einen kann mit dem Satz „Das war Schicksal“ gemeint sein, dass nicht ich als Handelnder, sondern dass ein von mir unabhängiges und nicht auf mein Handeln bezogenes, blindes Schicksal etwas verursacht hat.

Da gibt es zwei voneinander getrennte Bereiche: mein Handeln (bzw. das Handeln eines Individuums) und das „Handeln“ einer blinden Schicksalsmacht; manche Ereignisse gehen auf das Konto des einen, manche auf das Konto des anderen. Je nach Ideologie wird der eine oder der andere Bereich stärker und einflussreicher gedacht. Sie haben aber nichts miteinander zu tun. Für die Handlungen des Schicksals bin ich als Individuum nicht verantwortlich, auch wenn es mich betrifft oder wenn ich als Agent des blinden Schicksals gehandelt habe. Diese Auffassung gibt es auch astrologisch verkleidet: das ist passiert, weil die Sterne so und so gestanden sind.

Nicht so beim Münchner Astrologen Wolfgang Döbereiner. Hier hat das Individuum im Handeln die Möglichkeit, sich zu entscheiden, aber die Folgen dieser Entscheidung sind dann zwingend. „Ich erschaffe jeden Tag die Welt neu“ und „So wie ich gestern die Welt erschaffen habe, schaut sie heute aus“. (Wolfgang Döbereiner; meine Zitate von Döbereiner sind fast alle aus dem Gedächtnis zitiert und deshalb wahrscheinlich nicht ganz wörtlich.)

„Zeit“ ist in der Münchner Rhythmenlehre von W. Döbereiner kein einfaches Kontinuum, sondern „wirft zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Bilder aus“ (Döbereiner). Wenn ich also meinen Lebensweg gehe, wandere ich nicht durch ein neutrales Zeitkontinuum, sondern sozusagen durch eine Landschaft, wo z.B. zum momentanen Zeitpunkt „es geht steil bergauf“ angesagt ist. Das ist vorgegeben als etwas, was mir vom Himmel her zukommt oder zugemutet wird. Aber ob ich diesen Aufstieg annehme oder nicht, ob ich ihn fröhlich oder mich beklagend gehe, das ist meine Entscheidung. Je nachdem, ob ich das, was der Himmel beansprucht oder durch mich in der Welt Erscheinung werden lassen will, zulasse oder nicht, arbeite ich mit oder gegen sein Wirken. Und damit erschaffe ich für morgen eine Welt, in der der Himmel mehr oder eben weniger anwesend ist. So wie ich diese Welt geschaffen habe, schaut dann – bildlich gesprochen – der morgige Tag aus. D.h. - um im Beispiel zu bleiben – der steile Aufstieg ist schon das Ergebnis meiner Handlungen von gestern oder vorgestern oder das Ergebnis der Handlungen meiner Vorfahren. Deshalb regieren bei Wolfgang Döbereiner die Sterne auch nichts, sondern sind nur die bildliche Darstellung der im obigen Beispiel beschriebenen „Landschaft“. An ihnen (wie an vielem anderen) kann ich die Zeitqualität, die Beschaffenheit der von der Zeit ausgeworfenen Bilder ablesen (wenn ich es kann).

Es muss übrigens nicht immer ein steiler Aufstieg sein; es kann auch ein sanfter Abstieg zu einer lieblichen Alm sein, wo eine nette Sennerin oder ein grantiger Jäger oder eine Gruppe betrunkener Bergwanderer in rot karierten Hemden oder alle zusammen auf mich als wiederum ihnen zukommende Begegnung warten. Wie immer das dann ausgeht.

Wenn also jemand sagt „das ist Schicksal“ kann gemeint sein, „damit habe ich nichts zu tun“, oder im Gegenteil, „das Schicksal hat mir genau das mir Zustehende, Zukommende oder Zufallende geliefert“, aber auch nur das mir Zustehende.

Bei Castaneda wiederum ist es so, dass die Zauberer sehr wohl die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen und auch für die Situationen, in die sie geraten. Aber dennoch heißt es: „Die Welt ist unergründlich. Wir sind es auch, genau wie alle Wesen, die es auf dieser Welt gibt“ (C. Castaneda, „Das Rad der Zeit“; Seite 125)

© Peter Rumpf

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite