Montag, 8. Oktober 2007

6 Über das Heilige und das Unheilige

Vom großen katholischen Theologen Romano Guardini gibt es den Satz (sinngemäß), dass nichts so sehr zum Widerspruch reize wie das Heilige. Das ist richtig, weil angesichts des gelungenen und heiligen Lebens die eigenen Ausreden nicht mehr greifen. Es stimmt aber auch der Satz, dass nichts so sehr zum Widerspruch reizt wie das Scheinheilige, weil dann in der entscheidenden Frage des Lebens versucht wird, einen reinzulegen.

Versuchen wir es am Beispiel von Mutter Teresa zu klären.

Bei helfenden Tätigkeiten stellt sich ja immer die Frage, was passiert, wenn sich der Helfer über den Kranken oder Armen beugt? Wie ich beim Münchner Astrologen Wolfgang Döbereiner gelernt habe, kann das ja auch heißen: „ich bin stark, du bist schwach; ich überlebe, du stirbst“. Und dabei ernährt sich der scheinbar Helfende von der Energie des Untergehenden, lädt ihm seine Schuld und Untergänge auf (Sündenbock) und feiert sich als Sieger. Oder der Helfer bläst sein schwaches Ego mit der großartigen Aura und anerkannten Bedeutung seiner Helfertätigkeit auf, statt sein Ego in den Dienst des Helfens zu stellen. Der Nimbus der Aufopferung für den andern macht jede Infragestellung zu einem Sakrileg. (Das gibt es z.B. auch sehr häufig im Bereich Umweltschutz; das nur nebenbei).

Nun hat Jesus von Nazareth viele Kranken geheilt und Armen geholfen und es besteht kein Zweifel, dass dies auf saubere Art und Weise geschah. Bei ihm ist weit und breit kein Ego in Sicht, das sich da irgendetwas für sich abschneidet. Im Gegenteil: seine Hilfe und Hingabe waren ohne Hintergedanken und Nebenabsichten; die heilende und heiligende Kraft des Himmels konnte völlig ungehindert durch ihn hindurchwirken.

So ist es schon denkbar, dass im Umfeld und in der Nachfolge Jesu so ein echtes, selbstloses, heiliges und heilendes Helfen möglich ist.

Daher fällt es einem schwer, bei einer so (zu?) schnell allgemein anerkannten Heiligen Zweifel anzumelden, noch dazu, wo es so leicht ist, etwas zu zerstören, aber so schwer, etwas zu Unrecht Zerstörtes wieder in seinen ihm zustehenden Status zu versetzten. Da aber das Heilige letztlich nur in der Wahrheit Bestand hat, wird es einen ungerechtfertigten Verdacht überdauern.

Was auf den Photos von Mutter Teresa sofort auffällt, sind die „angewinkelten Arme der Zuständigkeitsmanie“ (W.Döbereiner). Das ist dieser zwanghafte Typus von Mensch, der einen nie in Ruhe beim Frühstück Zeitunglesen lassen kann (um wieder ein Beispiel von W. Döbereiner zu nehmen); ständig wird was herumgeräumt, hergetragen, weggetragen, geputzt, angeboten, gefragt, ob man das schon wegtragen kann etc. Dieses wichtige Amt gibt diesen Menschen anscheinend das Recht zum ständigen Übergriff auf den anderen, seinen Bereich, seine Lebenswelt, seine Ruhe u.s.w., immer unter der Kriegsflagge der Tüchtigkeit und mit dem stillen Vorwurf: ich bin ja so tüchtig, du so faul; ich so wichtig, du so unwichtig.

Nun, beim Heiligsprechungsprozeß von Mutter Teresa wurde - wie bei jedem anständigen katholischen Heiligsprechungsverfahren - alles gesucht, was gegen die Heiligkeit der Probandin sprechen könnte – man hat nicht viel gefunden – mag sein, dass die vorauseilende Heiligsprechung durch die Medien und die Massen die traditionellerweise sehr langsam und gründlich mahlenden römischen Behörden zu sehr unter Druck gesetzt hatten; vielleicht auch angepeitscht durch einen Medienprofi als Papst (dessen eigenes Heiligsprechungsverfahren jetzt wieder gegen jede Tradition und Nüchternheit von irgendeiner Lobby durchzupeitschen versucht wird), aber eines fand man doch:

Es ist eine Szene überliefert, wo sich die Schwestern des Ordens von Mutter Teresa wie jeden Morgen vorm Allerheiligsten zur Eucharistischen Anbetung treffen. Der Saal ist voll. Mutter Teresa kommt herein und setzt sich, ganz bescheiden, ganz hinten hin. Als ihr aber ein paar junge Schwestern die Sicht zum Allerheiligsten verstellen, zischt sie sie aus dem Weg (tsch! tsch!).

Dass sie sich als Zeichen ihrer großen Demut ganz hinten hinsetzt, ist doch nur die gleiche Eitelkeit, die Jesus mit dem Satz „die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten werden die Ersten sein“ anprangert, aber aufgrund genau dieses Jesussatzes mit umgekehrten Vorzeichen!

Wenn Mutter Teresa als Gründerin und Chefin ihres Ordens ihre Alpharolle in ihrem Verband annimmt und anständig ausführt, die ihr aufgrund ihrer Führungsrolle zustehenden Ehrungen und Ehrenplätze in der ersten Reihe ohne Theater und demütig einnimmt (wie Jesus von Nazareth es auch getan hat), dann ist das in Ordnung und ein Beispiel dafür, wie man als Erster heilig und demütig sein kann.

Aber wenn sie sich nach hinten setzten muss, dann muss sie es auch aushalten, dass ihr ein paar größer gewachsene Mitschwestern die Sicht verstellen und darf sie nicht „wegzischen“. Punkt!

Und das ist keine Frage, ob auch ein Heiliger ein paar Macken haben kann, sondern das ist die Frage, ob da nicht schon im Kern der Wurm steckt!

Und wie sie selber krank wurde und sich hinlegen musste und sich die anderen über sie gebeugt haben, warum hat sie das nicht genießen können? Warum musste sie gleich wieder auf? Überhaupt diese Anmaßung zu glauben, ohne einen gehe es nicht! Warum konnte sie nicht ausruhen? Was hat sie so getrieben? Ein Mensch, der redlich sein Leben für die anderen gelebt hat, der muss doch auch die Hilfe, die zurückkommt, annehmen können! Sonst bleibt der Verdacht, dass die Hilfe die ganze Zeit eine einseitige Nötigung war, bestehen, wenn der zurückfließende Dank nicht angenommen werden kann. Nein, da kommt mir vieles ungereimt vor!

Dass diese Frau Kraft und Energie hatte, ist unbestritten; die Frage ist nur, ob sie lauter war.

(Bei Carlos Castaneda gibt es den Satz: “Verzichten ist die schlimmste Art, sich gehen zu lassen“; nur falls Einwände wegen ihres großen Verzichts kommen.)

P.S.: So viel ich hier auch von Wolfgang Döbereiner übernommen habe – ich weiß nicht, ob er mit meiner Anwendung des bei ihm Gelernten einverstanden ist, oder ob er es scharf verurteilt. Fehler gehen auf meine Kosten.

© Peter Rumpf 2007

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