Montag, 8. Oktober 2007

8 Über das Heilige und das Unheilige II

Als der heilige Franziskus wirkte, wurde er von vielen für so etwas wie ein zweiter Christus gehalten; jedenfalls galt er als der Nachfolger Jesu; als derjenige in der Nachfolge Christi, der dem Vorbild am Nächsten kommt.

Ich glaube, das ist falsch.

Franziskus legte z.B. den größten Wert darauf, die mieseste, schäbigste Kutte von allen zu tragen und als er einen traf, der eine noch miesere hatte – weil der selber der Beste im Miese-Kutten-Tragen sein wollte, zwang Franziskus diesen Konkurrenten, mit ihm die Kutte zu tauschen. Welch kleinlicher Hahnenkampf! Hatte er denn nicht einmal die Größe, dem andern die Freude, eine schäbigere Kutte als der große Franziskus zu tragen, lassen zu können? Kein Platz für so eine kleine Großzügigkeit?

Was soll überhaupt diese Miese-Kutten-Manie mit Jesus von Nazareth zu tun haben? Jesu Gewand mag schlicht, vom Wandern staubig, vielleicht auch abgenutzt gewesen sein, aber sicher gab es bei ihm keine Miese-Kutten-Manie. Er nahm die ihm als Wanderprediger und Rabbi entgegengebrachten Ehrungen ohne Theater an, ließ bei Einladungen die dem Ehrengast zugedachten Ehrenbezeugungen und Rituale ohne Getue zu, saß auf dem Ehrenplatz und was sonst noch dazugehörte.

Sollte es bei Franziskus aber so gemeint sein, dass er mit seiner miesen Kutte nicht Jesu ähneln, sondern den Abstand zu ihm betonen wollte (demütig natürlich), dann ist ihm schon auszurichten, dass der Abstand auch eines Franziskus im sauberen Gewand zu Jesus von Nazareth groß genug geblieben wäre.

Bei Jesus von Nazareth ist weit und breit kein Ego zu sehen, das sich – unter welcher Tarnung auch immer – aufbläht; das Wirken des Himmels fließt ungehindert durch ihn durch. Seine Präsenz ist nüchtern. Da ist nichts von diesem Rauschhaften eines Franziskus und seiner Anhänger.

Es mag schon etwas dran sein, wenn jemand auf sein Erbe und auf jeden sozialen Rückhalt verzichtet – und Kraft hatte Franziskus allemal – aber das allein reicht für Heiligkeit nicht aus, auch wenn so ein Verzicht bei vielen gleich so eine „hippiemäßige“ Bewunderung auslöst.

Vielleicht wäre es die größere Herausforderung gewesen, das Erbe des Vaters anzutreten, den Arbeitern einen anständigen Lohn zu zahlen, die Kunden nicht zu betrügen, verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen und als Geschäftsmann heilig zu sein und auf heilbringende Art zu wirken. (Vielleicht würde man heute so einen Heiligen brauchen).

Freilich denkt man bei Franziskus auch an sein Sprechen mit Tieren, seinen Sonnengesang…

Dennoch hat er der im Abendland aufkommenden „Leidensmanie“ (W. Döbereiner) den Weg bereitet oder diese zumindest verstärkt.

„Leidensmanie“ ist die Vorstellung, dass man selber der größte Leider ist („alle Leiden gehören mir“; „ich bin der Ärmste“) und Wolfgang Döbereiner sagt, dass man die Leidensmanie für das hat, was man nicht leidet; also sie schiebt ein vorgestelltes, inszeniertes Leiden dem echten Schmerz, der einen aus dem Leben heraus angeht, vor, um sich diesen zu ersparen. Sie steht somit im Dienst der Verdrängung von Infragestellung und Endlichkeitserfahrung aus dem wirklichen Leben heraus. Das, was mir aus dem wirklichen Leben heraus zukommt, wird verdrängt. Dieses wirkliche Leben ist aber unser „Kampfplatz“.

Ich glaube schon, dass diese Leidensmanie im Abendland als falsches Leitbild viele falsch orientiert ins Unerlöste gelockt hat.

Christus als den nur Leidenden und Gescheiterten hinzustelle ist falsch, da er doch siegreich über sein Ziel hinausgewachsen, von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist.

Oder wie Carlos Castaneda sagt:

„Wir lieben Jesus – blutend und ans Kreuz genagelt. Das ist unser Symbol. Niemand ist an dem Christus interessiert, der auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist. Wir wollen Märtyrer sein, Verlierer; wir wollen nicht erfolgreich sein: arme Babys, die das arme Baby anbeten.“ (zitiert nach Norbert Claßen, „Carlos Castaneda und das Vermächtnis des Don Juan“; Hans-Nietsch-Verlag; S 112)

Anzufügen ist, dass noch in der Romanik Christus auch am Kreuz als siegreicher König dargestellt wurde.

© Peter Rumpf 2007

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite