Montag, 8. Oktober 2007

10 Sexualität in unserer Zeit

Wer beim Münchner Astrologen Wolfgang Döbereiner in die Schule gegangen ist, weiß, dass der Ur-Gegensatz der zwischen „Endlich und Unendlich“ (oder zwischen „Erde und Himmel“) ist. Alle irdischen Gegensätze wie „ich – Du“, „hier – dort“, „Freund – Freund“(sic!), „Große – Kleine“, „Eltern – Kinder“, „Mann – Frau“ usw. gehen auf diesen Ursprung zurück und bilden ihn ab. Und auch die durch diesen Gegensatz entstehende Anziehung, die mit dem Überbegriff „Liebe“ zusammengefasst werden kann, geht auf die Anziehung zwischen Himmel und Erde, Unendlich und Endlich zurück und bildet sie ab.

Innerhalb der irdischen Dualität nimmt die zwischen Mann und Frau eine besondere Stellung ein, weil diese Beziehung - indem ihr als sexuelle Liebe neues Leben entspringen kann - dem Ursprung am Nächsten kommt.

(Nur was den Urgegensatz Himmel und Erde betrifft, folge ich genau Wolfgang Döbereiner. Mit der folgenden Anwendung des bei ihm Gelernten wird er – so vermute ich – zumindest nicht in Allem wirklich einverstanden sein. Wissen kann ich es nicht.)
Wenn aber der Himmel und damit der Urgegensatz zwischen Endlich und Unendlich ausgeschlossen wird, rückt fälschlicherweise, aber automatisch die Mann-Frau-Beziehung und mit ihr die Sexualität an die oberste Stelle – auf einmal sind alle Formen der Liebe nicht mehr Abbild der Ursprungsliebe zwischen Unendlich und Endlich, sondern Abbild der sexuellen Liebe zwischen Mann und Frau, und das heißt dann aber: „eigentlich Sexualität“, eventuell verleugnete Sexualität.

Es wird also die Beziehung Mann – Frau fälschlicherweise zum Ursprung gemacht und damit die Sexualität zum Urmuster für alle Arten von Anziehung und Liebe.
Das heißt also, wenn ich z.B. einen Freund liebe und mich freue, ihn zu sehen, dann ist das in diesem falschen Modell nicht mehr ein Abbild der Ursprungsliebe zwischen Unendlich und Endlich – wo die Sexualität ja der Mann–Frau-Beziehung und der Weitergabe von Leben und Bewusstsein vorbehalten bleibt -, sondern die Liebe zwischen Freunden wird dann als (Homo) Sexualität gedeutet. Es entsteht das falsche „Bild“, dass die Fäden bei der Sexualität zusammenlaufen und alle Beziehungen werden sexualisiert; man kann in so einem falschen Modell die Liebe grundsätzlich gar nicht mehr – wie soll ich sagen – „unsexualisiert“ denken. Also: alle möglichen Arten der Liebe werden sexualisiert und somit zerstört – gleichzeitig wird auch die Sexualität zerstört und geschwächt, weil sie für Dinge herhalten muss, für die sie nicht geschaffen ist: folglich wird sie unfruchtbar und onanistisch, pervers, pornographisch, braucht einen ungeheuren Aufwand an Reizen und Material (für den Kopf) um überhaupt – tatsächlich aber eh nicht wirklich – in Gang zu kommen.
Also nocheinmal: wenn ich zum Beispiel einen Freund treffe und mich von Herzen freue, dann ist das ursprünglich nicht homoerotisch, sondern ganz einfach Ausdruck der Liebe zu einem Freund, die die Ursprungsliebe – wie immer jetzt verteilt – abbildet und sonst gar nichts.
Freilich gibt es im falschen Modell sekundär dieses Phänomen, dass jemand seine homoerotischen Neigungen z.B. als Frömmigkeit ausgibt – aber da muss schon vorher der Himmel ausgeschlossen sein, dass er überhaupt in diese Falle gerät. (Wenn ich z.B. an den Fall „Groer“ denke, ist unglaublich, wie viele dessen tuntenhaftes Benehmen für Frömmigkeit halten konnten.)

Ein Beispiel für die Verschiebung zum falschen Modell mag auch der Brauch des Maibaumaufstellens sein: ursprünglich war das Maibaumaufstellen sicher in einem schamanistischen Kontext gestanden – der Maibaum als Weltenbaum, an dem der Schamane, die Schamanin zum Himmel oder in andere Dimensionen raufklettert. Dann ist er nur mehr ein Phallussymbol geworden, wo die mutigsten Burschen sich die Bewunderung der Mädchen holten und eventuell auch Anrechte auf sie. Welch eine Verarmung!
Klar ist auch, dass die Sehnsucht nach dem Zusammenführen von Endlich und Unendlich nur über die Erreichung der „Ganzheit des Selbst“ (Carlos Castaneda), wo das Selbst mit dem am Unendlichen Anteil habenden „energetischen Zwilling“ (Carlos Castaneda) wieder verbunden wird, gestillt werden kann; alle Versuche, dies durch Vereinigung irdischer Gegensätze zu erreichen, müssen scheitern. Nur der Status der „Ganzheit des Selbst“ macht eigentlich erst zur wirklichen Liebe fähig, da keine irdische Beziehung mehr für den verlorenen Himmel herhalten muss. Solange der Mensch die „Ganzheit des Selbst“ nicht erreicht hat, wird er unzufrieden, unruhig und suchend sein.

Wenn Energie von der Sexualität (und vom Eigendünkel – dem ständige Präsentieren des Ich) abgezogen wird, wird nicht eigentlich sexuelle Energie verdrängt, sondern vom Sehen zur Sexualität verdrängte Energie wird wieder dorthin zurückgeführt, wo sie ursprünglich hingehört. Es wird eine Kompensation aufgehoben. Eine Kompensation, in die wir schon hineingeboren sind oder durch die wir überhaupt schon gezeugt wurden.

Mit der mit der Ganzheit des Selbst verbundenen „Erfahrung des Transzendenten“ (man kann es auch anders nennen) ist nicht gemeint, dass da einer in der Kirche kniet (oder sinnierend durch den Wald wandelt) und aus seinem verdünnten Leben heraus – weil er nichts erlebt – so ein fadenscheiniges „Gefühl“ hat, um seine Leere kompensatorisch zu heiligen, sondern gemeint ist echtes „Sehen“ – das Wahrnehmen ohne den Filter der Beschreibung. Das bedeutet wirkliche „Geistreisen“ (oder wie immer genannt) ins Bekannte und Unbekannte, in Dimensionen und Regionen unseres Universums, die wir uns gar nicht vorstellen können, Begegnung mit Lebewesen, die wir als Alltagsmenschen nicht wahrnehmen, die aber im Universum existieren, der Blick in das Innerste von allem, was wir wahrnehmen, das Sehen z.B. dass die Erde ein Lebewesen ist und dass wir mit ihr kommunizieren können.; Wunder über Wunder, die ich nicht beschreiben und mir nicht ausdenken kann, weil ich sie nicht erlebt habe, aber auch eine Intensität des Erlebens unserer ganz gewöhnlichen Welt, wie wir sie nicht für möglich halten, weil wir uns dieser Welt ganz zuwenden können. Das wäre in den Berichten der Seher (Castaneda, Abelar, Donner-Grau) nachzulesen. Nur soviel: es geht um eine Fülle, die wir als Alltagsmenschen verloren haben.

So rennen alle durch den Zeitgeist falsch orientiert in die Irre und finden schwer heraus. Die Leitbilder und die Grundorientierung sind falsch. (Das ist so, als hätte ein Stempel einen Fehler und alles, was gestempelt wird, ist falsch; auch wenn bemüht sorgfältig gestempelt wird; im Gegensatz zu einer Situation, wo der Stempel richtig ist, aber beim Stempeln ein Fehler gemacht wird – das ist vergleichsweise harmlos.)

Unser Inventar, alle unsere Annahmen, Denkmuster, Grundideen etc. und wie wir das alles aufeinander beziehen und (hierarchisch) ordnen – sie bauen sozusagen die Bühne für unser Handeln auf; mehr noch, sie geben die Rollen, die Dialoge etc vor. Das heißt, sie beeinflussen und bestimmen unser Handeln und unsere Deutung ganz enorm.

Es ist also nicht harmlos, wenn die Leitbilder falsch sind.

© Peter Rumpf 2007

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