Montag, 8. Oktober 2007

15 Warum Autofahren eine Sünde ist

Nehmen wir an, jemand wandert vor Jahrhunderten von Wien nach Graz: die Wege sind unsicher. Es gibt keine Karten. In manchen Wäldern lauern Räuber. Es gibt wilde Tiere. Wie man in einem Dorf, in einem Gasthaus aufgenommen wird, ist auch nicht von vornherein klar - man hat auch keinen Polizeinotruf zur Verfügung. Man versteht den fremden Dialekt und die lokalen Bräuche schlecht, denn die Dialekte und Bräuche sind stärker ausdifferenziert als heute. Es gibt unsichere Brücken und Stege oder man muss eine Furt suchen, um einen Fluss zu queren. Wenn der Wanderer zum Fluss oder Bach hinunterkommt, wird ihm ganz kühl. Er merkt, wie sich die Vegetation, der Boden zum Ufer hin ändert. Er spürt einen kalten Schauer. Er watet durch und es wird ihm kalt (oder angenehm kühl an einem heißen Sommertag). Er übernachtet im Heu, im Stall, in einer zweifelhaften Schenke, bei gastfreundlichen Bauern. Es gibt Gewitter und Schneestürme. Es wird schon Nacht und er hat noch keinen Platz zum Schlafen. Er verirrt sich. Und so weiter.

Alles, was da auf ihn wartet, bewirkt als Begegnendes eine Erfahrung; ganz verschiedene Erfahrungen; die Erfahrung der eigenen Gefährdetheit, der Gastfreundschaft, der Angst, des Unheimlichen, des betrügerischen Wegbegleiters, des hilfreichen Wegbegleiters (weil er die Gegend kennt z.B. oder einen Hof, wo sie übernachten können), Erfahrungen der Ablehnung, des Misstrauens, der Hinfälligkeit, der eigenen geschickten Verhandlungstaktik um aus einer brenzligen Situation herauszukommen und so weiter und so weiter.

Wenn ich aber mit dem Auto fahre, nehme ich alles das, was der Himmel mir auf dem Weg von Wien nach Graz als Begegnendes (wie im Märchen) vorbereitet hat, nicht an. Darum entwickle ich mich nicht wie im Märchen zu meiner eigentlichen, schon angelegten „Gestalt“ (Prinz/ Prinzessin; König/ Königin), sondern bleibe verzaubert und unerlöst. Ich will auf der Autobahn über den Fluss brausen und den Fluss nicht erleben, nicht erfahren.

Das heißt – döbranitisch gesprochen – ich nehme den Himmel nicht an. Und das ist die Sünde. Dass das Autofahren Landschaft und Umwelt und Menschen zerstört, ist Folge dieser Verweigerung, den Himmel und das, was er mir als Begegnendes liefern will, anzunehmen. Autofahren ist nicht deshalb eine „Sünde“, weil es zerstörerisch ist, sondern es ist zerstörerisch, weil es eine Sünde ist. Das Zerstörerische ist die Folge der Nichtannahme des Himmels.

„Sünde“ im religiösen, nicht im moralischen Sinn, heißt eben, dass das Verhältnis zum Himmel gestört ist, weil ich ihn in seinem Anspruch, durch mich in der Welt anwesend zu werden (so ungefähr Wolfgang Döbereiner), nicht annehme. Alles andere – die Zerstörungen und negativen Auswirkungen auf die Welt, die Mitmenschen und auf einen selber – sind Folgen des gestörten Verhältnisses zum „Transzendenten“, das schon an der Grenze meines Bereichs beginnt. An der Grenze meiner Endlichkeit beginnt schon die Unendlichkeit (so ungefähr W. Döbereiner). Das, was mir begegnet, ist für mich schon Teil „meiner“ Transzendenz, auch wenn das, was mir begegnet, endliche und irdische Wesen sind. In der Begegnung überschreite (transzendiere) ich schon in gewissem Sinn meine Endlichkeit.

Zur „Annahme der Himmels“ (Döbereiner) gehört auch, dass ich die „Bilder“, die Ereignisse, die auf meinem Lebensweg schon als Begegnendes bereitliegen, zulasse.

Also wird man auch mit besseren Abgasfiltern und Ähnlichem die Zerstörung durch den Autoverkehr nicht verhindern können. Entweder stellt sich dann später heraus, dass die besseren Filter doch schlimmere Auswirkungen haben oder das Zerstörerische bricht an einer anderen Stelle durch.

© Peter Rumpf 2007

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