Montag, 8. Oktober 2007

18 Brot und Wein

In der Münchner Rhythmenlehre des Astrologen Wolfgang Döbereiner werden die vier Quadranten des Horoskops – von mir jetzt ganz verkürzt und vereinfacht – in etwa so beschrieben:

Der vierte Quadrant stellt das Wirkende dar – das umfasst den „Bereich“ der Ewigkeit, wo alle Gegensätze und Augenblicke zusammenfallen, und aus dem im Ursprung – in der Trennung von Endlich und Unendlich – die Welt und alles Endliche geschöpft wird und seine Bestimmung erhält, nämlich - je nach dem – das Tannenhafte, das Löwenhafte, das Menschenhafte usw., das die Definition von Tanne, Löwe, Mensch etc. enthält, aber noch vor aller Zeit und vor aller Sprache und Individualität.

Erst im dritten Quadranten tritt das Wirkende in die Zeit und erhält eine Gestalt und wird so zum Wirk-lichen gefügt. Diese Gestalt gehört dann schon der Zeit an, damit einer bestimmten Sprache und Kultur, einer „Philosophie“ und Vorstellungswelt.

Der vierte Quadrant repräsentiert das „Heilige“, der dritte das „Religöse“ im Sinne einer (hoffentlich) an das Heilige rückgebundenen Denk- und Vorstellungswelt (Religion).

Beide Quadranten sind noch jenseits des Individuums und im persönlichen Horoskop „gehören“ sie einem nicht, sondern repräsentieren das, was einem vom Himmel zukommt, entweder als dann im Empfinden (zweiter Quadrant) direkt aus dem vierten Hochsteigendes, oder als einem jenseits des Subjekts im dritten Quadranten Begegnendes (als fremde Person, als Idee etc.).

Die irdische Wirklichkeit wird also durch die zwei unteren Quadranten dargestellt: der erste Quadrant stellt die Wirklich-keit hinsichtlich ihrer physischen, dinghaften, messbaren, statischen Seite dar. Beim Menschen gehört da auch sein Status in der Herde dazu; das Ego und seine Ansprüche (ich bin Erster, du bist Zweiter oder umgekehrt…).

Der zweite Quadrant repräsentiert die subjektive, seelische, lebendige, vitale Seite der Wirklichkeit; beim Menschen das Subjekt mit seinen Empfindungen, Impulsen etc. Das als Einleitung.

In der lateinischen Kirche und ihrem Bereich hat sich über Jahrhunderte der Streit um den „Laienkelch“ gezogen; der Streit darüber, ob auch Laien (oder wie üblich nur Priester) die Kommunion nicht nur in der Gestalt des Brotes, des Leibes Christi, sondern auch in der Gestalt des Weines, also des Blutes Christi, empfangen dürfen. Dies wurde von den meist adeligen Religionsbehörden abgelehnt, war aber eine ständige Forderung der Reformkräfte, in den Bauerkriegen usw.

Wenn wir auf die Lehre der Quadranten nach Döbereiner zurückgreifen, können wir die Wichtigkeit dieser Frage leicht begreifen: wir können die Arbeit der Religion beschreiben als den Versuch, das Wirkende des vierten Quadranten in Form eines Denk- und Vorstellungsgebäudes im dritten Gestalt und Lehre werden zu lassen und so aussagbar zu machen, aber auch das Wirkende in bildhaften Handlungen und Gesten in der Wirklichkeit der beiden unteren Quadranten anwesend und sichtbar und wirksam zu machen bzw. richtiger: wirksam, sichtbar, anwesend werden zu lassen.

Im Christentum ist dies vor allem die Verwandlung der irdischen Dinge Brot und Wein in die himmlischen „Dinge“ Leib und Blut Christi, in denen der Himmel hier auf Erden anwesend wird, aber auch der Möglichkeit, durch das Essen der in Leib und Blut Christi – also in seine ganze Wirklichkeit verwandelten Gestalten Brot und Wein am Wirkenden Anteil zu erhalten.

Wobei das Brot dem physischen, statischen Aspekt der Wirklichkeit zuzuordnen ist (es wird ja auch im Herd, dem zentralen Ort der Herde, erster Quadrant, gebacken), der Wein dem seelischen, vitalen, subjektiven Aspekt der irdischen Wirklichkeit.

Wenn jetzt aber die Laien vom Kelch ausgeschlossen sind, dann heißt das, dass sie nicht „Subjekte“ ihres Glaubens sein dürfen, sondern nur „Statisten“, denen von Funktionären der Religionsbehörden ihr Platz in der Kirche, ihre Gebete, das, was sie im Gottesdienst zu sagen und zu tun haben etc., vorgeschrieben wird. Sie dürfen nicht aus ihrem Empfinden und Erleben heraus formulieren, dürfen nicht ihre Erfahrungen artikulieren, sondern sind bloße Objekte einer religionsbehördlichen Bearbeitung, aber keine „Subjekte“. Sie sind nicht am Blutkreislauf des Christentums angeschlossen. Das dürfte der ständige Stachel für diesen Streit gewesen sein.

Man gewinnt ja den Eindruck, dass sich die lateinische antike christliche Welt nach der Völkerwanderung und dem Untergang des (politischen) römischen Reiches „beleidigt“ in ihre Landhäuser zurückgezogen hat (Augustinuns, der Begründer der abendländischen klösterlichen Tradition z.B.) und daher eine große Reserviertheit gegenüber den „Völkern“ („Laie“, verwandt mit dem griechischen Wort „laos“, Volk) – ob schon christlich oder erst nachher christlich geworden – geblieben ist und weitertradiert wurde.

Dazu passt auch, wie der Papst – ähnlich wie der antike römische Kaiser – versucht, mit seinen Edikten den Weltkreis zu regieren.

Wie nun die im römischen Verband lebenden „Völker“ mit dieser Situation „umgehen“ und wie sie (als „Statisten“) darauf angemessen und für die Zukunft fruchtbar reagieren und (als „Subjekte“) handeln können, beziehungsweise in der Vergangenheit reagieren und handeln hätten können, ist eine ganz andere Frage und steht auf einem anderen Blatt.

© Peter Rumpf 2007

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite