Montag, 8. Oktober 2007

17 Von unseren Talenten

Bei Matthäus (25; 14 – 30) wird das Gleichnis von den Talenten erzählt: ein Herr vertraut seinen Dienern, da er auf Reisen geht, sein Vermögen an. Einer bekommt fünf Talente Silbergeld, der Zweite zwei, der Dritte eines. Der Erste gewinnt fünf dazu, der Zweite zwei, der Dritte hat sein Talent vergraben, um das Risiko des Verlustes zu vermeiden und gibt es so, wie er es bekommen hat, seinem Herrn zurück, als dieser zugekehrt ist. Die ersten Beiden werden gelobt und befördert, der Dritte beschimpft und hinausgeworfen „in die Finsternis“.

Was in diesem Gleichnis fehlt ist derjenige, der seine Talente investiert und sie verliert oder sie überhaupt verplempert, also mit nichts dasteht. Was passiert mit dem?

Beim Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea (ungefähr 263 – 339) gibt es die Notiz, dass bei den aramäisch sprechenden, judenchristlichen Gemeinden das Gleichnis anders erzählt wird: dort gibt es einen, der Gewinn macht, einen der alles verliert und einen, der das Talent eingräbt.

Nun kann man vermuten, dass diese, die selbe Sprache wie Jesus sprechenden Gemeinden - bei der Weitergabe der Erzählungen Jesu nicht auf Übersetzungen angewiesen – der ursprünglichen Predigt Jesu näher waren und das Gleichnis in seiner ersten Gestalt besser bewahrt haben. Außerdem ist das Gleichnis in dieser Form mit den drei statt zwei Alternativen auch logischer.

Eusebius schreibt:

Da aber das auf uns gekommene, in hebräischen Buchstaben (geschriebene) Evangelium die Drohung nicht gegen den erhebt, der (das Talent) verborgen hatte, sondern gegen den, der ausschweifend gelebt hatte – denn er (der Herr) hatte drei Knechte: einen, der das Vermögen der Herrn mit Huren und Flötenspielerinnen durchbrachte, einen, der den Gewinn vervielfältigte, und einen, der das Talent verbarg; daraufhin sei der eine (mit Freuden) angenommen, der andere nur getadelt, der andere nur ins Gefängnis geworfen worden -, so erwäge ich, ob nicht bei Matthäus die Drohung, die nach dem Wort gegen den Nichtstuer ausgesprochen ist, nicht diesem gilt, sondern infolge eines Rückgriffs dem ersten, der mit den Trunkenen geschmaust und getrunken hat“ (Eusebius, de theophania IV 22; zitiert nach: W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apogryphen, I; Tübingen 1987)

Es scheint also eine Unsicherheit gegeben zu haben, wer hinausgeworfen wird. Eusebius ist sich sicher, dass der Verschleuderer hinausgeworfen wird. Was aber, wenn Matthäus richtig wiedergibt, dass der Eingräber hinausgeworfen wird und der Verschleuderer bei Matthäus ausgelassen wird, weil es unerträglich wäre, wenn - wie ich vermute - im Hebräerevangelium oder zumindest bei Jesus der Verschleuderer bloß getadelt und nur der Eingräber hinausgeworfen wird? Dass also das Gleichnis anders erzählt wurde und Eusebius es im Glauben, einen Überlieferungsfehler zu korrigieren, zum Falschen verändert hat?

Nocheinmal: meine Vermutung ist, dass das Gleichnis in seiner ursprünglichen Gestalt diese Pointe hatte:

Der Investor, der gewinnt wird gelobt und befördert. Der Verschleuderer, der alles verliert, wird getadelt und ermahnt, aber in seinem Amt bestätigt. Derjenige jedoch, der aus Angst sein Talent vergräbt, wird entlassen und in die Finsternis geworfen.

Es muss auch inhaltlich so sein!

Peter Rumpf 2007

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