3736 Ein Storch
14:35. Ich
sitze sozusagen vorm ausgebreiteten Herzen Jesu in der Pfarrkirche von
Leibnitz/Lipnica. Wem sie geweiht ist, habe ich noch nicht herausgefunden.
Irgendwas mit dem Guten Hirten, aber wer der Patron ist, hat sich mir auch beim
Altarbild nicht erschlossen (Hl. Jakobus der Ältere – der Tipper). 24
sogenannte Opferlichter habe ich bei der Opferlichtstation gezählt. Ich gehe
hinüber zum Aushang der Verstorbenen. Ich komme wieder zurück. Der Stuhl, auf
den ich mich gesetzt habe, ist ein bequemer Wohnzimmersessel. Der Jesus mir
gegenüber breitet die Arme aus, aber hält den Blick gesenkt. Bin ich wirklich
so schrecklich? Gut, das könnte auch edle, rücksichtsvolle Zurückhaltung sein
(wer erträgt schon die Konfrontation mit der lauteren Wahrheit und der
Transzendenz?). Wie immer im heißen Hochsommer ist die Luft in der Kirche nicht
kalt, aber stickig und modrig; vermutlich die Ausdünstungen der alten Mauern,
die schon viel erlebt haben, der Weihrauchrückstände und was weiß ich noch. Ich
habe anständig für meine drei Kerzen bezahlt (die ständige Verteuerung dieser
Opferlichter könnte vermutlich auch ein guter Indikator für die Inflation und
den verstärkten Geldfluß von unten nach oben sein – oder bin ich ungerecht?),
trotzdem überkommt mich eine von Zuckungen begleitete Phantasie, dass ich des
Kerzendiebstahls bezichtigt werde, mit Polizeieinsatz und Pi-Pa-Po, bis dahin,
von Polizeiprügel verletzt im Straßengraben gelandet zu sein. Bei allem
Respekt, aber manchmal verstehe ich meine Seelenmechanismen gar nicht mehr!
Anruf meiner Frau. Das ist mir selbst in der leeren
Kirche peinlich, weil ich das Handy nicht abgedreht habe. Also: der Jesus breitet
seine Arme aus und hält den Blick gesenkt. Okay! Ich gehe besser wieder raus;
ich schwitze schon in der heißen, schwülen, parafingeschwängerten Kirchenluft
der abgetrennten Kapelle.
Beim Zurückwandern zum Hauptplatz sehe ich: auf
einem alten Schlot hinter dem Eissalon sitzt ein Storch.
(29.7.2024)
©Peter Alois Rumpf Juli 2024 peteraloisrumpf@gmail.com
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