Donnerstag, 20. Juni 2024

3711 Natriumhydroxid

 



13:14. Ich sitze am Wienfluß auf der schattigen Seite, der Rechten Wienzeile und schaue auf die am heutigen heißen Tag übergrellen, aufgeheizten Fassaden der Linken Wienzeile, entlang der ich vorhin von der U-Bahnstation zur berühmten Drogerie gehatscht bin. „Natürlich“ gibt es eine Baustelle in der Nähe, den üppigen Autoverkehr auf dieser Ausfallsstraße drüben auf der anderen Seite, vorbeibrausende Radfahrer auch hier auf der ruhigeren Seite; auf der Brücke wird herumgehupt, Fußgänger, manchmal höre ich auch die Stimme eines Kindes hinter meinem Rücken (das hat mit der verkehrstechnischen Situation meines Sitzplatzes zu tun) …

Beim Hergehen, am Eingang zu diesem begrünten, reizvollen Fuß- und Radweg oberhalb des Wienflußes unten – auf dieser Seite verläuft die parallele Duchzugsstraße einen Häuserblock dahinter – steht auf einem Mäuerchen „...sextremismus raus aus den Köpfen!“ geschrieben. Offensichtlich sind davor noch ein paar Buchstaben gestanden, die nicht mehr zu derlesen sind. Vermutlich wäre es wichtig, diese abgebröckelten Buchstaben zu kennen, denn von dem Wort, das sie gebildet haben, hängt es ab, wie der Satz gemeint ist – so oder so. Ich jedenfalls habe ihn so aufgefaßt, dass mir die Göttinnen mitteilen, ich solle nicht so viel an Sex denken.

Auf der Fahrräderabstellfläche auf dem Plateau vor der eigentlichen Brücke wachsen Gräser und Wildkräuter in den Fugen zwischen den Pflastersteinen, vielleicht auch wilder Lattich. Im leichten, angenehmen Wind sehe ich die Schatten der Bäume am Boden tanzen. Mich wundert es, dass ich hier keine Angst habe, so ausgesetzt und erreichbar mitten in der Stadt. Mit meinem Blick zwar nicht ganz hinunter, aber doch Richtung U-Bahn-Trasse und Wienfluß komme ich mir ein wenig wie auf einem Hochsitz vor, aber einem, der von hinten ebenerdig zugänglich ist. Firmen gibt es hier auch, zum Beispiel im Haus links von mir, den Tafeln beim Haustor nach fünf an der Zahl. Manche Wandbesprühungen sind abgrundtief hässlich, viele eigentlich, aber nicht alle.


(19.6.2024)


©Peter Alois Rumpf Juni 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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