Freitag, 7. Juni 2024

3697 Ich muß aufs Klo

 



8:33 a.m. In diesem Marktcafé werde ich offensichtlich ignoriert. Ich sitze schon mindestens fünf Minuten herinnen und … ah! Jetzt! Frühstück bestellt.

Ich bin frustriert, aber nicht wegen diesem Lokal – da gibt es schon immer Spannungen, möglicherweise halten die mich hier für einen alten, rechten Ungustl – sondern weil es bei geschlossenem Fenster in mein Zimmer geregnet hat, weil unten am Glas kein Kitt mehr ist. Ich will endlich meine Ruhe haben und mich um solchen Scheiß nicht kümmern! Ich fühle mich überfordert! Gut, das Frühstück ist da. Essen kann auch der Seele guttun.

Ja, jetzt geht es mir viel besser! Musik aus den Boxen wie in meiner Teenagerzeit im Radio um elf Uhr (oder war die Sendung um zehn?). „I bring it outside!“ sagt der Kellner zu einem Gast: aber ich sitze beim Lesen und Schreiben lieber drinnen; durchaus gern an einem Sommertag wie diesen bei offenen Fenstern und Türen (auch die Sprache ist ein solches Gebäude). Es ist schon klar: ich passe auch nicht hierher, genausowenig wie gestern im Lichtensteinschen Freihaus; bestenfalls mache ich mich lächerlich. Aber das macht nichts. Sooo viel Zeit werde ich vermutlich eh nicht mehr haben. Ich genieße jetzt den Luxus eines solchen Frühstücks und vielleicht Feinde zu haben (vielleicht! Ob es wirklich welche gibt, weiß ich nicht). Feinde, echte Feinde muß man sich auch erst verdienen und auch da schaut es nicht wirklich gut aus; nur für einen Trottel gehalten zu werden, reicht nicht aus; reicht nicht, bringt keine Ehre. Trotzdem (oder gerade deswegen? - der innere Psychologe) komme ich mir in diesem nicht selbst verdienten und geschaffenen Luxus wie ein König vor. Dann eben wie ein König ohne Land. Womit ich nicht behaupten will, ich sei ein König der Übersehenen und Unselbstverständlichen – ich übersehe auch ständig. Aufs Klo gehe ich hier nicht, da kann ich mich nicht genug entspannen. Meine Nase rinnt, aber nicht à la Verkühlung. Die Menschen erschienen mir in sich so selbstverständlich. Die Zugabe der ersten Band gestern (Red Pink glaube ich) hat mich zu Tränen gerührt. Die verdammte Nase! Gottseidank wollen die meisten Leute draußen sitzen, umso schöner ist es herinnen. Ich sollte meine Empfindlichkeit nicht auch noch hochpäppeln; es ist schon so, dass es mir in diesem bunten Lokal gefällt. Zumindest meine Jugend ist vorbei (Mein Gott! Du blöder Aff du! Jugend! Nur die Jugend!? - der innere Spötter). Meine Nase rinnt und rinnt und hört nicht auf. Ich wäre in meiner Jugend durchaus gerne glücklich gewesen (und selbstverständlich), aber so war es nicht. Die fröhliche Kellnerin, die viel lacht, schaut, wenn es still ist und sie kurz in ihre Arbeit vertieft, gar nicht so fröhlich aus, manchmal. Aber sie zieht es schon durch. Will ich es ihr und den andern nicht glauben, damit meine Schwermut nicht gar so abseitig erscheint? Quasi: alle sind nicht wirklich glücklich, die tun nur so? Mit dem Frühstück bin ich längst fertig, und mit dem zweiten Kaffee jetzt (ich glaube einen Zusammenhang zwischen Depression und Kaffeekonsum bemerkt zu haben – der innere Beobachter), aber was mache ich, wenn ich jetzt heimgehe? Was kann ich mit diesem Tag anfangen? Meine Nase rinnt noch immer. Hier bleiben und noch einen Kaffee trinken? Auch wenn es mich dann aushebt? Hier ist es hell, in meinem Zimmer finster. Hier ist Sommer, in meinem Zimmer … was weiß ich! Wundern sollte mich mein – inneres und äußeres – Getue nicht. Ich starre auf die Pflanzen und ihre Blüten in den Töpfen und Kübeln draußen. Ein netter Versuch. Wirklich! Ich meine das nicht zynisch. Ich sollte doch nach Hause gehe – ich muß aufs Klo.


(7.6.2024)


©Peter Alois Rumpf Juni 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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