Dienstag, 14. Mai 2024

3664 Das Universum schickt Soldaten aus

 



12:05. Der Arbeiter bohrt auf der Leiter gut unterstützt von seiner Mannschaft (mit einer Frau) ein Loch in die obere Ecke eines metallenen Tür- und Fensterrahmens, wenn ich es richtig sehe. Der blaue Kran vor der Kirche steht unbewegt – soweit ich es von hier aus sehen kann. Eine angenehme Musik im Café und von draußen von der kleinen Kreuzung blickt das auf seriös gemachte Gefrieß eines EU-Wahl-Kandidaten herein, der jedoch – so kommt mir vor – sehr erschrocken und schmerzhaft dreinschaut. Heute ist die Straße sehr belebt und überhaupt nicht fad. Die Sonne kommt nur auf zwei Flecken herein. Mein Gott! Ich und die Melancholie! Die kann ich wohl immer und überall abrufen! Auf der Straße sehe ich durchaus einiges an Fröhlichkeit, auch das traurige Saxophon aus den Boxen spielt auf fröhlicher Perkussion. Ich bin zum Leben mehr ein Voyeur. Die Distanz löst sich nicht wirklich auf. Aber das macht nichts (wirklich nicht?). Ein Lastwagen zwängt sich durch die unübersichtliche Baustelle, blinkt und tütet dabei im Rückwärtsgang. Ich versuche, die Gesichter der Passanten zu lesen, aber dafür bin ich zu verstrickt und blöde. Zu verstrickt in meine eigenen Chose, als dass ich die der anderen erkennen könnte. Sie erkennen sich nicht. Der fast immer elegische Wind bewegt die Sonnenplane des Gastgartens auf der Straße. Vielleicht ist in mir etwas ganz Böses (wenn man das so nennen will); aber ich will gerade daraus kein Drama machen. Außerdem gibt es nur Energie. Die große Karmeliterkirche, von der ich nur eine Seite, das Dach und ein paar Figuren und Dachzierden sehe, kann mich nicht mehr hervorlocken, die Inszenierung wirkt auf mich eher lächerlich und religiös (wenn man das so nennen will) unglaubwürdig; da war schon längst alles verloren. Schade eigentlich, speziell für Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz. Meine transzendentale Sehnsucht (wenn man das so geschwollen bezeichnen will), die vielleicht aus echter Ahnung von denen da drüben kommt, habe ich nicht in einen sinnvollen und erfolgreichen Kampf um Bewußtseinserweiterung verwandeln können, aber diese Ahnung aufgeben und ins „normale“ (wenn man das so nennen will) Leben finden, geht schon längst nicht mehr; ich bleibe dem fremd. Nicht Fisch und nicht Fleisch. Ich weiß zu viel und ich weiß zu wenig. Aber das ist völlig egal. Das Universum schickt Soldaten aus, seine Kundschafter und Versuchskaninchen. Der Lastwagen rollt aus der Baustelle raus. Heute ist es spannend hier, die Straße ist belebt, es spielt sich viel ab, auch wenn ich es weder durchschaue noch verstehe. Aber es hält mich hier.


(14.5.2024)


©Peter Alois Rumpf Mai 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite