Samstag, 30. März 2024

3617 Therme Wien

 



10:08 a.m. In der U1 auf dem Weg in die Therme Oberlaa telephoniert eine Frau, die ich von meinem Platz aus nicht sehen kann. Ich höre: „Wir fahren in die Therme. Zieh dich an! In fünf Minuten bin ich bei dir!“

10:55 a.m. In der Therme: in der Relax!-Lounge zuerst beim Herausnehmen einer Kaffeetasse am Kaffeeautomaten eine zweite mitgerissen und zu Boden geschmissen, dass sie zerbrach (ich hatte meine Brille in der Garderobe vergessen). Dann war das die falsche Tasse, die für den großen Cappuccino zu klein war. Eine daneben stehende Frau hat mir dann gezeigt, mit welchem Knopf eines den Vorgang stoppen kann. Zu spät. Ist schon übergelaufen. Aber, zu meiner Entschuldigung – Entschuldigung ist ganz wichtig! - die richtigen Tassen waren gar nicht im Tassenregal, was mir nicht aufgefallen ist. Jetzt trinke ich Milchschaum mit ein paar Tropfen Kaffee. Gut, schont das Herz. Die Götter meinen es gut mit mir. Oder? Außerdem ist es immer so, wenn ich in Bereiche eintrete, die mir von meiner sozialen Herkunft gar nicht zustehen (ich bin eingeladen und könnte das hier aus Eigenem nicht bezahlen). Dann passieren solche Mißgeschicke, damit klar ist, dass ich als Individualdalit hier nichts verloren habe. Aber ich bleibe und lasse mich von meiner Selbstverhinderung nicht vertreiben. Beim Essen des an die überaus bequeme Liege servierten Snacks fällt mir noch ein Kressepflänzchen in die Behaarung meiner nackten Beine und verfängt sich dort. Ich bleibe tapfer. Ich lese über dem Eingang, dass diese Region in der Relax!-Lounge (verdad! Ich weiß nicht, was „Lounge“ heißt und bedeutet, und deshalb würde ich normalerweise so etwas nicht betreten) „Stein der Schönheit“ heißt – mir ist dabei zum Lachen! „Stein der Schönheit“! Was ist das? (Auskennen tut er sich nicht, und lebensfremd ist er auch, aber in sein Notizbuch hineinspotten, das kann er! - der innere Kritiker).

Es gibt hier einen Thermencoach (Ich könnte einen Themencoach brauchen). (Liebe Leser*innen, schickt mir Themen, über die ich schreiben könnte!)

11:07 a.m. Im Wasser war es sehr schön. Und das Hinausschwimmen ins Freie besonders. Ja, hier läßt es sich leben. Ich brauche zwei Pflaster, weil die Badeschlapfen reiben.

12:04. Ja, und ich geniere mich nicht – das heißt schon, aber ich mache es trotzdem: ich hole den neunten Band Carlos Castaneda „Die Kunst des Träumens“ aus der Badetasche und beginne, darin zu lesen.

13:24. Nach dem üppigen Mittagsmahl – ein halbes Brathuhn mit Knödelfülle – satt und matt in der Relax!-Lounge (diese Bezeichnung passt schon akustisch nicht zu mir, ich weiß das; und wenn schon!) bin ich auf der Liege und blicke über das Hallenbad hinweg in den Park hinaus, wo der Wind, das himmlische Kind, die Föhren wiegt. Bei den anderen Bäumen hat er noch zu wenig Laub um ordentlich anzugreifen. Das an Sommer erinnernde Gejohle der Kinder unten im Hallenbad ist hier heroben sinnigerweise durch eine Glaswand gedämpft. Ich genieße meine träge Müdigkeit und warte noch mit dem nächsten Kaffee.

13:35. Ich wollte meiner lieben Frau im Thermenshop Badeschlapfen kaufen, die sie dann selber bezahlt, aber erstens beendet der Shop die Mittagspause um 14h, und zweitens ist es 13:30 und nicht 14:30, wie ich falsch von der Uhr abgelesen hatte.

14:42. Vor lauter Essen und Verdauen kommt eines gar nicht zum Schwimmen; geschweige denn in die Sauna.

17:50. Die Betonstiege den kleinen Abhang zum Park hinauf strahlt im Abendlicht, als wäre sie die Himmelstreppe in die Unendlichkeit. Auf den Bäumen dort leuchtet das untergehende, rötliche Sonnenlicht, während andere Bäume schon im Schatten stehen. Der Wind schaukelt sanft die Föhren und wiegt die noch kaum belaubten Laubbäume. Zwei kleine Bäumchen blühen unter den anderen ganz weiß. Dieser Anblick ist so schön, so schön, dass ich mich im Schwimmbecken an die Wand lehne und nur noch schaue und schaue. Die Intensität ist so stark, dass ich meine, noch nie eine solche erlebt zu haben. Ehrfurcht und Staunen erfüllen mich, bis ich bemerke, dass der Schatten schon die Stufen hinauf steigt und das Licht beginnt, immer blasser und schwächer zu werden, als würde der Himmel sein Angebot, seine Einladung zurückziehen und als wäre es zu spät für eine Entscheidung. Ich schwimme zu einigen dieser Düsen am Beckenrand, um mich vom Wasserstrahl massieren zu lassen; was soll eines sonst tun, wenn man in dieser Welt zurückgeblieben ist, und die Himmelsleiter hochgezogen?


(29.3.2024)


©Peter Alois Rumpf März 2024 peteraloisrumpf@gmail.com




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