Dienstag, 26. März 2024

3613 Wo bin ich?

 



14:04. Der Wind hebt die Stoffbahnen des Schanigartens Sonnenplane, die sich über acht holzstehergestützte Segmente erstreckt, und läßt sie wieder fallen, wenn er sie nicht auch noch absichtlich niederdrückt. Die Menschen im Café tun mir nicht weh und ich lasse meinen Geist schaukeln; vielleicht schaukelt meine Seele mit. Ich schaue durch das Fenster auf die etwas fade Gassen und suche etwas Interessantes, etwas, das sich durch mein Weltbild zwängen will. Der Wind ist so stark, dass er sichtbar sogar an den Holzstehern des Sonnendaches rüttelt. Schade, dass die faden Gassen nicht leer sind, sondern von Autos verstellt; die Leere wäre sicherlich ergiebiger. Beim gelben Haus drüben wirken die sieben Gaubenfenster am offensichtlich neu ausgebauten Schrägdach – ich vermute im Versuch, es dezent und altbauverträglich zu gestalten – dennoch viel zu geschleckt und akkurat und mit ihrer Dachverhüttelung viel zu rustikal und schiech (der Preussl Norbert hat „schiach“ schon als Dreijähriger richtig ins Hochdeutsch übersetzt) und nicht zum alten Stadthaus passend aufgesetzt. So verbringe ich – nicht unangenehm – ich weiß nicht wie viel Prozent meiner restlichen Lebenszeit. Ab und zu eilt jemand vorbei, ab und zu schiebt sich ein Auto durch die Gasse, ansonsten bewegt sich nur die dunkelrosa Sonnenplane und ihr Gestell. Auch das kleine Stück Himmel, das ich von hier aus sehen kann, wirkt nicht sehr attraktiv. Jetzt fällt es mir auf: auch die Stromleitung und die Halterungsdrähte der Straßenbeleuchtung schwanken im Wind. Die Musik im Lokal ist mir angenehm: nicht zu aufdringlich, aber doch interessant genug und in Details überraschend. Ich denke mir einen Gag für meine nächste Lesung hier aus (wenn ich ihn bis dahin nicht wieder vergessen haben werde). Genau mir gegenüber, an der anderen Wand am anderen Ende des Lokals sitzt auch eine Frau, die schreibt. Die dezenten, schönen Blumen der Tischdekoration und die kleinen Blumentöpfe an den Holzstehern draußen beim Schanigarten fallen mir nun auf. Jetzt kommt ein Cowboy herein und bestellt eine Melange; das hat der Wilde Westen noch nicht gesehen! Meine Vernunft plädiert für Nach-Hause-Gehen. Ich bin nicht abgeneigt.


(26.3.2024)


©Peter Alois Rumpf März 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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