Donnerstag, 11. Januar 2024

3514 Im Katscheli

 



Die Fenster des schräg gegenüber des Cafés stehendes Hauses zittern. Zuerst denke ich, es wäre der Wind, aber es ist kein Wind. Also wird es ein Phänomen aus subtilen Unregelmäßigkeiten des Fensterglases (das des Cafés? Das der Fenster drüben?) und die der Verformungen aus Augenbewegungen und Lesebrille sein. Juvenile Männer (nach römischer Lebensabschnittseinteilung) mit langen Haaren, Rauschebart, intellektuellen Brillen, tiefer, sonorer Stimme und amerikanischen Handbewegungen klingen auf amerikanischem Englisch trotz leichter Unsicherheiten einfach selbstsicher und furchtbar kompetent. Ich beneide den Gast dort (beneiden darf man nicht! - der innere Zensor). Fensterglasgespiegelte Sonnenlichtflecken auf der Fassade des schräg gegenüber liegenden Hauses (es ist jetzt schon müde geworden). Wie es hier so ist, sehe ich mich im großen Spiegel weit gegenüber: ein verhalten schmunzelnder (gelogen! Das kann man auf die Entfernung gar nicht sehen! - der innere Zensor) älterer (sic!) Mann hat in sîne hant gesmogen daz kinne und ein sîn wange. Dó dâhte er sih vil ange, wie man zer welte solte leben. Deheinen rât kond er nit geben … mit der Fünfziger-Jahre-Literatenbrille im Gesicht und den Kopf schief und die Glatze so regelrecht in die kosmische Kamera haltend (schauen einem die da oben beim Lebensgezappel zu? Ich frage für einen Freund). Jetzt kommt doch Wind auf: ich sehe es an den Dachplanen des Schanigartens vorm Lokal. Ansonsten finde ich nichts Besonderes im Umherschauen: was soll ich mit den blechernen Abgasrohren auf den gemauerten Kaminen, den verzerrten Spiegelungen der ihnen gegenüber liegenden Häuser in den Fenstern der mir gegenüber liegenden Häuser? Das wenige Glitzern im und vom Sonnenlicht scheint mir nicht erwähnenswert.

Die Musik im Lokal düdelt ganz angenehm dahin. Der Kaffee macht, dass ich ein wenig unruhig und nervös werde, mit den Fingern leise auf den Tisch tätschel und es mir am Kopf zu jucken beginnt. Ich bin gar nichts – fällt mir ein - und momentan scheint mir auch die Freiheit des Abseitigen wie dem Hans-im-Glück die seine zu gefallen. Frage: würde die Nationalbibliothek meinen literarischen Nachlass annehmen, wenn ich ihn ihr testamentarisch vermache? Alle Ausdrucke, Notizbücher, USB-Sticks (USB-Stick ist mir nicht und nicht eingefallen; ich mußte das Wort googeln. Was ist mit meinem Gehirn los?!), aber keine gedruckten Bücher, keine Zeitschriftenartikel? (By the way: wie nennt man das „l“ in köpfeln, füsseln, hanteln etcetera? Auch Suffix?) Jetzt hebt gerade besonders schöne Musik an; noch läuft das Intro; ich bin schon neugierig auf den Gesang. Aber der kommt immer noch nicht. Besteht das ganze Stück nur aus Erwartung aufbauendem Intro? Nein! Jetzt hat ein Mann mit starker, schöner, männlich gebrochener Stimme auf Spanisch zu singen begonnen. Ich bilde mir ein, in Gesang und Melodieführung arabischen Einfluß herauszuhören. Ich kenn mich mit Musik ja gar nicht aus. Ist das überhaupt Spanisch? Bevor ich nochmals genau hinhören kann ist das Lied beendet. Meine zêhen bewegen sich in den Winterstiefeln, wahrscheinlich sollte ich gehen. Gehen wir! Aber vorher knete ich noch melancholisch und nachdenklich meine Handflächen – schaut einsichtig und gut aus – hoffe ich – und fördert die Durchblutung.




(11.1.2024)




©Peter Alois Rumpf Jänner 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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