Freitag, 27. Oktober 2023

3448 Regen in Graz

 6:35 a.m.  Graz. Der Regen prasselt seit einer Viertelstunde. Ein stiller Morgen am Fuße des Schlossbergs. Ich betrachte aufmerksam die Altersflecken an meiner leicht verkrampften linken Hand. Ja schau nur genau hin, dass dein Geist und deine Psyche er sich abgewöhnen, dich dauernd jünger machen zu wollen (die Seele darf jung bleiben). Jetzt rinnt die Nase. Meine Frau hüpft und springt im Sonnengruß. Der Regen wird heftig. Ich freue mich schon aufs Hotelfrühstück: Hmmm! Kaffee, Käse, Schinken, Wurst, Speck, Ei … seltene Genüsse. Das Geräusch des Regens hüllt mich hier im Trockenen bergend, schützend und wohlwollend ein. Ich scheine viel Zeit zu haben. Draußen ist es noch ganz  finster. Der Regen läßt nach; es gluckern noch fröhlich die abfließenden Wässerlein. Ich glaube nicht, dass der Regen schon gänzlich aufhört. Meine Frau ist jetzt im Kopfstand. Ich überprüfe meinen Mundgeruch, indem ich in die vor meinem Mund zu einer Hohlform zusammengelegten Hände hauche und diese ausgeatmete Luft in die Nase aufziehe. Erstaunlich: es regnet nicht mehr. Kirchenglocken läuten, ich nehme an zur Morgenmesse. Mir notorischem Langschläfer tut diese frühe Zeit gut. Ich öffne das Fenster, beuge mich hinaus und sehe, wie sich der Schlossberg herunterwölbt; fast scheint es, als wollten seine herbstlichen Bäume hereingreifen. Der Regen wird wieder stärker.

10:53 a.m.  Nach dem Frühstück im schönen Aufenthaltsraum mit der alten Holzdecke (alt, nicht rustikal aufgemotzt) und neben dem Bild von Max Weiler (und neben meiner Frau) blicke ich durch die zwei Fenster über die Mur hinweg zur Minoritenkirche und die Bäume am Flußufer. Die Mur sehe ich von hier aus nicht, denn sie liegt tiefer, aber den heftigen Regen und das Zittern der letzten Blätter an der Pappel  (ist es der Wind? Ist es der Regen?). Weil ich sie darauf hingewiesen habe, erklärt meine Frau die dezente, weibliche Musik aus den Lautsprecherboxen zu ihrer Lieblingsmusik für den Moment. Meine Vermutung, wer da spielt und singt, wird falsch gewesen sein. Quietschende Schritte in der Hotellobby. Ich bin gar nicht so ein Lobbyist, aber heute schon. So viele Bilder hier im Hotel, viele Frühwerke von einheimischen Berühmtheiten sind dabei. Eine Straßenbahn im traditionellen Grün-Weiß (Steiermark! Nicht Rapid! Hier regiert der SK Sturm!). Menschen mit Schirmen gehen vorbei (gegehen habe ich – handschriftlich – geschrieben; mein Gehirn arbeitet fehlerhaft. Was will mir meine Seele sagen?). Die  Prozession der Schirmträger:innen hat etwas Melancholisches. Linie 5 nach Andritz fährt vorbei. Ich greife zu dem Buch mit den Gedichten (Christine Lavant). Nein, zuerst doch noch zu Isaak Steinbergs revolutionär-sozialistischer Revolutionskritik.

(27.10.2023)

Peter Alois Rumpf Oktober 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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