Dienstag, 10. Oktober 2023

3424 Ärger mit Kokoschka

 



17:20. „Tödliche Schüsse aus einem Betriebsgewehr!“ - so schlagzeilen es mir die Traumnews aus dem Mittagsschlaf am Nachmittag. Davon erschrocken aufgewacht blicke ich – liebe Leserin, lieber Leser, Sie werden er schon erraten haben – in meinem Zimmer herum. Vage habe ich noch das Betriebsgebäude des besagten Betriebes da im Grünen am Rande eines Waldes vor Augen – liebloser, neutraler, rationeller Baustil, billiges modern aus dem vorigen Jahrhundert – und den mannshohen Maschendrahtzaun, der das Gelände umschließt und über den geschossen und getroffen wurde. Die Katz’sche „Junge Frau“ blickt wieder in alter Arroganz, die nackten Weiber auf den Kunstkarten – ich lege Wert auf eine gewisses – meinetwegen auch ungewisses – Niveau – drehen sich, räckeln sich und heben auffällig oft einen ihrer Arme über oder hinter den Kopf. Nur die frankophone Schweizerin legt ihren rechten Arm vor ihren Busen und hält so ihr Leibchen fest, auf dass es nicht herabrutsche und den Busen freigebe. Ich drehe meinen Kopf weiter als üblich nach rechts und entdecke an der Längswand Kunstkarten, die ich schon vergessen habe, und ebenso die Titel und die Maler. Nur Kokoschkas Linz finde ich nicht. Das müßte doch irgendwo hier hängen! Ist es heruntergefallen? Da ist eine verräterische Lücke in der Ikonostase. Ist sie mir nicht aufgefallen? Oder habe ich mir einfach nichts gedacht dabei? Ich werde das verschwundene Linz suchen müssen. Ach! Der trefflichste Kubin! Und der Moholy-Nagy! Und die Zeichnungen meiner Töchter (beides: von ihnen gezeichnet und sie gezeichnet). Aber wo ist Kokoschka? (Von dem von mir Verehrten habe ich kürzlich auch Böses gelesen (Bilderdiebstahl und als eigenes ausgegeben).)

Ja, wo ist der Kokoschka? Ich erhebe mich vom Bett und schaue unter dasselbe. Dabei muß ich mich geschickt zwischen Bett und Bücherstapel hinablassen. Nein, ich sehe nichts. Ich nehme die Taschenlampe – als Notfallmaßnahme immer eine neben dem Bett – zu Hilfe und sehe, wie die Kunstkarte auf der – und das ist unerwartet! - Stirnseite des Bettes nah an der Wand mit der Bildseite nach unten im Staub liegt. Jetzt erhebe ich mich (schon wieder!) in die aufrechte Körperposition und gehe irgendein längliches Ding suchen, mit dem ich die Karte herausfischen kann. Weil ich zu faul bin, hinunter zu gehen um mir den Besen zu holen, suche ich nur heroben und hole schließlich aus dem oberen Badezimmer den Ausgußpömpel – das ist der, um dessen Stiel ich immer diese Licht/Auraerscheinungen habe. Um mein Manöver durchzuführen, muß ich in den schmalen Canion zwischen Bett und Bücherstapel abtauchen, mich zwischen Bett und Bücherstapel quetschen, aber vorsichtig und sensibel, dass ich letzteren nicht umstoße und mich nicht an ersterem. Aber der Pömpel bringt nichts als Staub hervor, wiewohl ich damit tatsächlich bis zur verlorenen Karte hingelange, wenn ich mich ein wenig unter das Bett schiebe. Der Pömpel kann trotz Gummi (oder ist das schon Plastik?) die Karte nicht mitnehmen. Ich richte mich wieder auf und trage ihn ins Bad zurück. Jetzt versuche ich es an der Stirnseite des Bettes von oben. Und wirklich, ich kann die Karte erwischen und aus dem staubigen Abgrund holen. Ich reinige sie mit ein paar Wischern meiner rechten Hand (ich bin eigentlich Linkshänder) und will sie wieder an derselben Stelle an die Wand tackern, obwohl ich weiß, dass da der Verputz sehr hart ist. Es gelingt auch nicht, die Klammern dringen nicht in die Wand ein. Also wähle ich eine neue Stelle, gut einen halben Meter weiter rechts, und es gelingt mir, die Karte so einigermaßen, aber nicht wirklich gut anzutackern. Sie hält jetzt, aber ich fürchte, beim nächstenmal Bettmachen fliegt sie wieder herunter. Also will ich die Karte an einer Ecke zusätzlich antackern. Aber der Tacker streikt. Da ich annehme, dass die Klammern aus sind, öffne ich die dafür vorgesehene Kammer am Gerät, schiebe eine Klammernreihe hinein und bevor ich sie mit diesem Schieber verschließen kann, fallen mir alle Klammern wieder heraus. Endlich gelingt sowohl das Arretieren dieses Schieberverschlusses als auch ein – ich betone: nur ein – fachgerechter Tackerer und jetzt sollte das Bildchen halten. Ich bin’s zufrieden, wenn ich nun auch den Kopf stärker drehen muß, um Kokoschkas Linz betrachten zu können, was bei meinem radiusreduzuertem Nacken auch nicht so einfach ist.

(10.10.2023)

Peter Alois Rumpf Oktober 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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