Dienstag, 11. Juli 2023

3280 Die Kapelle

 



Eine Bank im Schatten. Die Verkehrsader Obere Donaustraße hinter mir lärmt, hupt, brummt, tuckert, heult, quietscht. Links eine Kapelle – ich glaube einem St. Johannes geweiht (dann wäre das ein Sonne-Uranus-Ort). Vor mir der gesicherte Geländeabbruch zum Donaukanal, auf den ich von hier nicht hinuntersehen kann. Links und rechts von der Bank stehen Linden. Fast alle Bäume hier im Wilhelm-Kienzl-Park sind Linden. Die Wiese und vor allem der asphaltierte Weg sind voll von den abgeworfenen Früchten und ihren gelb und braun gewordenen Hochblättern, die ihnen als Flugsegel dienen. Vogelgezwitscher kommt manchmal durch den Verkehrslärm. Und Rasen gemäht wird auch irgendwo in Hörweite. Einige Leute mit Hunden. Die Wiese ist noch grün, zeigt jedoch die ersten Anzeichen einer beginnenden Austrocknung. Die Ampel an der nahen Kreuzung schaltet auf grün und der Lärm erreicht einen seiner periodischen Höhepunkte. Zwei Hunde – angeleint – schnüffeln an einem Laternenpfahl herum und plötzlich erkenne ich sie als personale Wesen, mit denen man ohne weiters reden könnte. Die barocke Kapelle stößt mich irgendwie ab und zieht mich irgendwie an; ihre Form ist angenehm und ansprechend, nur bin ich schon sehr ornamentallergisch. Dabei ist diese Kapelle auch diesbezüglich eher zurückhaltend. Habe ich wieder Weltgrant? (Wäre kein Wunder, wenn mir dieser Text schon zweimal vom Laptop verschwunden ist, nachdem ich in zweimal mühsam verbessert und eingetippt hatte. Jetzt schreibe ich ihn zum dritten Mal.) Der Weltgrant ist natürlich immer der Grant auf mich selbst (in der Welt). Ich gehe weiter.

Ach! Ein kleines Stück weiter direkt vor der Kapelle auf einem niederen Mäuerchen sitzend stelle ich fest: die Kapelle ist ein Fake! 1909 unter dem unsäglichen Lueger wiedererrichtet, wie eine Tafel verkündet. Videoüberwacht und von außen nicht eruierbar, wem sie geweiht ist. Ich kann keine entsprechende Inschrift oder einen eindeutigen Hinweis finden. Oder hat man 1909 nicht mehr ernsthaft geweiht, sondern nur mehr Kulissen aufgestellt? Der Verkehrslärm pausiert kurz, bevor die neue Verkehrswelle wieder angebraust kommt, dafür darf ich jetzt dem Baustellenlärm lauschen. Dem Wind ist das alles egal, er weht sanft und heiß darüber hinweg, bewegt das Lindenfrüchtelaub am Boden herunten und die Äste und Zweige darüber. Was die Kapelle betrifft weiß ich nicht, ob sie ein Neubau ist, oder ob sie tatsächlich an ihrem alten Platz abgetragen und hier an ihrer neuen, ihrer dritten Stelle in ihrer alten Gestalt wieder errichtet. Mein Stilgefühl läßt mich völlig im Stich. Mich zieht es nach Hause, in meine Kammer.

(11.7.2023)

Peter Alois Rumpf Juli 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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