Donnerstag, 6. Juli 2023

3271 Täuberiche

 



Sagen wir es so: ich dachte, ich suche einmal einen ungewöhnlichen, zumindest unüblichen Ort zum Schreiben auf und so sitze ich auf einem Betonmäuerchen am Karmelitermarkt hinter dem verglasten Abgang zum untergründigen Parkhaus und blicke durch die teilweise mit Informationsplakaten und Hinweisen verklebten oder verhangenen Glasscheiben auf den weitgehend leeren, asphaltierten Platz geradeaus und auf eine Reihe von Verkaufsbuden links. Leute gehen hin und Leute gehen her und manchmal überquert jemand sogar den leeren Platz und kommt jemand von der Garage herauf. Tauben gurren. Vorallem ist das ein Täuberich, der „seine“ (?) Weibchen umgurrt, er versucht es von links, er versucht es von rechts, versucht der Umworbenen (beschönigende und verharmlosende Beschreibung!) den Weg abzuschneiden, aber sie weicht – wie die vorhin – nach links aus, weicht nach rechts aus, dreht eine halbe Pirouette und bleibt nicht stehen. Diverse unverständliche Gesprächsfetzen schwirren als zufällige, reizlose Symphonie durch die heiße Luft. Ich erwarte mir immer Inspiration, aber es kommt nicht viel – oder mein Wahrnehmungsapparat ist nicht offen genug. Mir ist es schon wieder ungemütlich hier, der Sitz zu hart, möchte jedoch aus verschiedenen Gründen kein Lokal aufsuchen. Also gut! Ortswechsel.

Nun, ein Bankerl im stilleren Werd gefunden. Das scheint jedoch der Rauchertreff der Gegend zu sein, denn ein umgedrehter Blechdeckel am Mäuerchen der Eingrenzung des baumbepflanzten Erdquadrats abgelegt, der als Aschenbecher dient und voll mit Zigarettenstummel ist, die sich sogar zu einem Berg aufhäufeln, stinkt aufdringlich, penetrant und unausstehlich vor sich hin, dass ich Kopfweh bekomme und Übelkeit. Ortswechsel!

Wieder ein Stücklein weiter auf der Steinbank im Beserlpark (wenn das nicht schon eine Übertreibung ist) an der Kreuzung. Hier kreuzen wieder mehr Passanten, aber meine Augen nehmen nichts Rechtes auf. Mütter mit Kindern, Autos, jede Menge RollerfahrerInnen … es ist genug da, aber nichts löst irgendetwas aus: kein Schub, keine Inspirationsexplosion, keine mäandernden Assoziationsketten … mir fehlt auch jeglicher Eifer. Baustellen da, und dort, und dort auch. Alles kommt mir bekannt vor. Eine Frau in Hotpaints geht vorbei, deren Beine zu beschreiben ich zu träge und zu feige bin. Tauben betteln. Und wieder so ein depperter Täuberich – kaum erträglich dieser Anblick des schäbigen, lächerlichen und völlig geistlosen Getues dieses tierischen Vertreters des männlichen Geschlechts. Man schämt sich als Mann und kommt sich vom beobachteten Geschehen wie in einem Spiegelbild ertappt vor. Ein Frau, die anscheinend etwas erschöpft aus dem Haustor ihrer Arbeitsstelle tritt, zündet sich wie erlöst eine Zigarette an. Ich blicke wieder zu den Passanten. Es mag kein Mensch illegal sein, aber heute geben sie nicht viel her. Ich lenke meine Aufmerksamkeit auf die Bäume hier und die leichte Brise, die jetzt aufkommt oder die ich erst jetzt bemerke. Das verschafft mir etwas Erleichterung, aber gleich schweife ich wieder ab und bin mit den Gedanken irgendwo. Mir kommt vor, es ist ein wenig Weltekel, den ich nicht los werde und der sich mit dem Anblick von einem, nein: zwei weiteren trottelhaften Täuberichen verstärkt. Lärm ist auch ein Thema: meine Ohren dröhnen davon; nur zufällig entgeht mir das Schlagen der Kirchturmuhr nicht ganz. Der Baulärm steigert sich ins Unerträgliche; ich gehe weiter.

Auf dem Weg nach Haus versuche ich, mich innerlich und wirklich aufzurichten, indem ich den Beckenboden hochziehe, die Bauchmuskulatur einsetze, aber ohne den Bauch einzuziehen, und den Nacken mit ein paar Bewegungen des Kopfes lockere, dabei trotzdem tief atme und dann noch beim Gehen das Aufsetzen der Sohlen auf den Asphaltboden bewußt wahrzunehmen und sanft aufsetzend und fein abrollend zu gestalten, aber das gelingt nur ein paar Meter, dann ist meine Aufmerksamkeit schon wieder irgendwo und ich trample wie ein schwerfälliger Idiot durch die Gegend und durch mein Leben.




(6.7.2023)

Peter Alois Rumpf Juli 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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