Sonntag, 2. Juli 2023

3266 Klandestine Gärten

 



Ich betreibe diesen – wie ich ihn nenne – klandestinen Garten am Ufer des Donaukanals, das heißt: ich bringe die Wurzelballen abgestorbener Zimmerpflanzen – bisher waren das hauptsächlich die des Katzengrases – mit allerlei Samen – seien es gekaufte Wiesenblumensamen oder im Herbst dem Augarten entnommene – angereichert dort hin, stopfe sie zwischen die Steine der Uferböschung und das war es dann. Manchmal hat ein Hochwasser diese Miniaturbepflanzungen weggeschwemmt, oft sind sie in diesem steinigen Grund verdorrt, weil die Wurzeln es nicht bis in die Feuchtigkeit geschafft haben. Manchmal habe ich versucht die Samen und Pflänzchen, zum Beispiel mittels kleiner Strohmattenstücke, die ich zwischen die Steine eingeklemmt habe, vor dem Weggeschwemmtwerden bei Hochwasser zu schützen - weiter oben an der Böschung würden die Pflanzen unweigerlich verdorren – aber diese Installationen waren dann auch ohne Hochwasser verschwunden. Ich weiß es ja nicht: viele Hunde graben dort herum, Krähen, spielende Kinder, trinkende Jugendliche und lagernde Erwachsene (oder umgekehrt), Ratten gibt es auch – ich habe keine Ahnung, was da passiert. Es ist ja kein Garten, der mir gehört und eingezäunt ist, sondern öffentlicher Grund. Freilich wird niemand bemerken, dass da ein Garten sein soll. Ganz am Anfang, vor Jahren, habe ich noch manchmal versucht, meine Pflanzungen zu gießen, aber das Klettern über das kantige Ufergestein ist mir zu mühsam geworden. Außerdem werde ich nie das Gefühl los, dabei etwas Illegales zu tun (obwohl ich keine illegalen Pflanzen – wenn es so etwas überhaupt gibt – ausbringe) und habe dabei immer ein schlechtes Gewissen und Angst entdeckt und aufgegriffen oder wenigstens beschimpft zu werden. Ich treibe da also einen vielleicht rührenden, meistens wohl vergeblichen – ja, man könnte fast sagen: einen auf Vergeblichkeit angelegten Aufwand.

Genauso geht es mir mit meiner Schreiberei: ich deponiere meine Texte in der Schublade und lasse sie dann gewissermaßen im Stich. Die wenigsten werden wahrgenommen. Vor Jahren, am Anfang hatte ich mich noch bemüht, sie irgendwie in die Öffentlichkeit zu bringen – wenn auch auf meine viel zu verhaltene, schuldgefühlbeladene Art – einmal sogar habe ich einen einer Zeitschrift zugesandt, öfters habe ich versucht, einen Ort zu finden, wo ich Lesungen abhalten könnte – da war schon einmal eine solche abgesprochen, aber dann wurde auf meine Anfragen nicht mehr reagiert - aber heute setze ich die Texte aus und überlasse sie ihrem Schicksal. Jetzt bin ich gar schon so weit, dass ich nachträglich entdeckte Fehler kaum noch ausbessere (Achtung! Manches, was wie ein Fehler aussieht, ist mit wohldurchdachter Absicht so geschrieben!). Viele meiner Texte finden auch auf der Schublade keine Leser, über ein oder zwei finden auch die erfolgreichen nicht hinaus. Und ich selbst darf gar nicht merken, dass da ein Lebenswerk entsteht, anscheinend muß es geheim bleiben, denn bei Erfolg würden meine Selbstzerstörungskräfte einsetzen – so offensichtlich meine Angst. Es gibt nicht nur – wie Freud in Bezug auf die Faulheit sagt – die Angst vor Mißerfolg, sondern auch die heimtückischere Angst vor Erfolg.




(1.7.2023)

Peter Alois Rumpf Juli 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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