Montag, 15. Mai 2023

3203 Kran-ich

 



6:56 a.m. Das Fenster im Vorzimmer habe ich aufgemacht, um den Geruch von Katzenpisse und Essig – mit dem ich nach dem Aufwischen über die betroffene Stelle gegangen bin – los zu werden, ein Schauder nach dem anderen läuft durch meinen unausgeschlafenen, noch nicht ganz alltäglichen Körper, beim Fenster kommt als fernes Rauschen neutralisiert der Lärm der Stadt herein. Ich kann in meiner Kemenate schon ohne künstliches Licht schreiben - also der herankommende Sommer macht ernst, obwohl heute ein bedeckter Tag zu sein scheint. Als hätte ich es verschrien wird es gleich etwas dunkler und ein Flugzeug rauscht unter dem Himmel. Am Bücherregal manifestiert sich – fast unsichtbar – eine weiße Macht und entzieht sich sogleich wieder der vagen Sichtbarkeit. Es schrillt ganz typisch in meinen Ohren, und jetzt kommt von unten das Heulen der Kaffeemühle dazu. Die Luftsäulen in meinen Ohren beginnen leicht zu pulsieren; ich lockere meine verkrampfte linke Hand. Meine Gedanken verwirbeln sich und verlieren sich in ihrer Aufgeregtheit. Jetzt greift der Baustellenlärm ein, denn ich höre den Kran. Kran-ich, Kran-ich. Kraniche habe ich auch schon ein paar Mal am Donaukanal gleich ein paar Häuser weiter gesehn.

Ein Verkrampfungsschmerz baut sich im rechten Fuß auf. Auch den versuche ich zu lockern. Ich werde bei offenem Fenster weiterschlafen.




(15.5.2023)

©Peter Alois Rumpf Mai 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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