Dienstag, 18. April 2023

3168 Baustellenlärm der moderaten Art




1:29 a.m.

5:43 a.m. Es gibt keine böse linke Hand mehr wie in meiner Kindheit. In meinem Bauch grummelt und knurrt es, als würde ein Oger erwachen. Die Frau vom Katz kann mich nicht mehr schrecken. Die Frau vom Munch kann mich nicht mehr zücken. Zu den übrigen Frauen sage ich nichts. Ich bin müde. Meinen Kopf fühle ich als gedämpft. Mein frontales Bücherregal scheint sich ein wenig zu verändern. Ich freue mich aufs Weiterschlafen, genieße aber das morgendliche Lauern jetzt in Echtzeit. Meine inneren Bilder und Gedanken gleiten in Krieg und Verfolgung ab (können die alle aus meinem Nachkriegsleben kommen?). Ich bin sehr leicht zu beeindrucken. Ich bewege die hölzerne Möwe, die über meinem Kopf hängt. Lange schaukelt der Faden mit der kleinen Holzkugel nach. Ich poste Selfies auf Facebook.

9:42 a.m. Um den Morgen vielversprechend zu machen, ziehe ich das Rollo hoch, kehre aber ins Bett zurück, denn ich brauche zur Zeit viel Schlaf, Erholung und Ruhe. Die Katze verhindert jede Morgenidylle, indem sie mir ins Vorzimmer pischt. Dass sie dort hinscheißt – daran habe ich mich schon gewöhnt und konnte es schon recht unhysterisch handlen. Aber jetzt fängt sie auch noch mit dem Soachen an. Frau Katz wird alt und dement. Vermute ich. Oder sie ist besonders schlau, hatte beobachtet, wie ich das Kisterl ausräume und will mir aus reiner Liebe diese Mühe ersparen. Oder sie hat beim Reinsteigen ins Kisterl Kreuzweh. Oder ich habe vergessen, das Kisterl zu leeren.

Zurück zum vielversprechenden Morgen. Es muß bewölkt sein, wie ich aus den kemenatischen Lichtverhältnissen schließe. Ich erhole mich in meiner Betthockerstellung, mein Gehirnplasma (manchmal muß man Worte erfinden oder kühn kombinieren, auch dann, wenn man nicht weiß, ob es sie gibt, ob sie Sinn ergeben, oder ob sie zutreffend sind) wird entsulzt und heilt sich offensichtlich aus.

Der penetrante Geruch von Katzenpisse läßt mich mich wieder recht unfeierlich vom Bett erheben und das über die Lacke gebreitete Papier dürfte jetzt vollgesogen sein. Also räume ich das ekelhafte Zeugs weg und putze die kontaminierte Stelle gründlich nach (ich hatte „kondaminiert“ geschrieben und kurz überlegt, ob ich auf „kondamminiert“ erweitern soll, im Sinne von „verdammt!“ und „mitverdammt“). Und kehre wieder ins Bett zurück.

Zurück zum vielversprechenden Morgen. Ich höre die Tageskinder unten fröhlich singen und spielen. Beim offenen Vorzimmerfenster drängt Baustellenlärm der moderateren Art herein. Meine körpereigenen (hoffentlich!) Sirenen surren aufgeregt. Man kann sagen: ich bin wach. Und bereit für das Frühstück. Auf zum vorläufig und jeweils letzten Gefecht.




(18.4.2023)

©Peter Alois Rumpf April 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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