Sonntag, 12. März 2023

3132 Notwendiges Statement

 

Ein gewisser (oder ungewisser) Alexxawar Bierbrauer schreibt mir in mehreren PIN-Nachrichten, ich wäre russophob, weil ich mich auf Facebook immer wieder entschieden gegen den Überfall Russlands auf die Ukraine ausgesprochen und Beiträge, die diesen Überfall rechtfertigen oder relativieren, in meinem Sinne kommentiert und Beiträge, die dieser meiner Haltung entsprechen, geteilt habe. Er unterstellt mir, dass ich Russen für Untermenschen halte, dass ich ein eindimensionales Weltbild hätte, unserer Staatspropaganda - so nennt er es - eigenartig, wo die österreichischen Politiker und Wirtschaftsbosse dem Putin doch reihenweise in den Arsch gekrochen sind - auf den Leim gegangen wäre und einiges andere. Der gute Mann - Mann, das nehm ich an - hat von mir keine Ahnung. Ich hätte mich eher als russophil bezeichnet, eher in diese Richtung blind. Ich habe jahrelang - wenn auch nicht als tragender, sondern mitlaufender Sänger - mit Freuden und gerne im kleinen deutschsprachigen russisch-orthodoxen Kirchenchor in Wien gesungen, weil ich die byzantinische Liturgie, der ich schon in meiner Jugend begegnet bin - allerdings in einem griechisch-katholischen Gottesdienst - ihre Gesänge, ihre mystische Aura - im Gegensatz zum pädagogisierten westlichen Gottesdienst - ihre Prachtentfaltung - an der auch jeder Arme ohne Eintrittsgeld teilhaben kann - so geliebt habe. Ich liebe einiges der russischen Literatur - ich gebe zu, ich kenne nur wenig - aber Daniil Charms wird immer zu meinen Lieblingsdichtern gehören. Sein Satz "Einst aß Orlov zuviel Erbsenbrei und starb" und der ganze Text bringt mich immer zum Lachen als Parodie auf das Schicksalgeringe bei Dostojewski, den ich natürlich auch verschlungen habe. Und sein erster Satz in "Die neuen Bergsteiger" wird für mich für alle Zeiten der lustigste, beste erste Satz der Weltliteratur (gut, gut - soweit ich sie kenne) sein, noch dazu, wo er mein Lebensmotto sein könnte: "Bibikov erstieg einen Berg, fiel in Gedanken und stürzte ab". Ich liebe viele Filme des Moskauer Gorki-Instituts und besonders die Märchenfilme des Alexander Rou aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, und "Warwara krasa" ist für mich der schönste Märchenfilm aller Zeiten, hoch, hoch über den zeitgleichen Disneydreck, weil dieser Film wirklich märchenhaft ist, voller Poesie, psychologisch wahr und ohne Kitsch. Meine Kinder sind mit diesen Märchenfilmen aufgewachsen. Nein, russophob war ich nicht, eher russophil - was ich erst jetzt - also wahrlich verspätet! - in Frage stelle. Die Liebe zu Charms und den erwähnten Filmen werde ich sicher nicht aufgeben, aber Russland und vor allem seine Kirche viel, viel kritischer sehen als vorher; genauer: ich singe nicht mehr im Chor und will nichts mehr mit der russisch-orthodoxen Kirche zu tun haben. Und für die Angst vor Russland (Russophobie) gibt es für Ukrainer, Polen, Balten und all die anderen Nachbarn gute Gründe und das nicht erst seit heute: der russische Imperialismus ist nicht besser als irgend ein anderer.

 

(10.3.2023)

©Peter Alois Rumpf  März 2023   peteraloisrumpf@gmail.com

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