3132 Notwendiges Statement
Ein gewisser (oder ungewisser) Alexxawar Bierbrauer schreibt
mir in mehreren PIN-Nachrichten, ich wäre russophob, weil ich mich auf Facebook
immer wieder entschieden gegen den Überfall Russlands auf die Ukraine
ausgesprochen und Beiträge, die diesen Überfall rechtfertigen oder
relativieren, in meinem Sinne kommentiert und Beiträge, die dieser meiner
Haltung entsprechen, geteilt habe. Er unterstellt mir, dass ich Russen für
Untermenschen halte, dass ich ein eindimensionales Weltbild hätte, unserer
Staatspropaganda - so nennt er es - eigenartig, wo die österreichischen
Politiker und Wirtschaftsbosse dem Putin doch reihenweise in den Arsch
gekrochen sind - auf den Leim gegangen wäre und einiges andere. Der gute Mann -
Mann, das nehm ich an - hat von mir keine Ahnung. Ich hätte mich eher als
russophil bezeichnet, eher in diese Richtung blind. Ich habe jahrelang - wenn
auch nicht als tragender, sondern mitlaufender Sänger - mit Freuden und gerne
im kleinen deutschsprachigen russisch-orthodoxen Kirchenchor in Wien gesungen,
weil ich die byzantinische Liturgie, der ich schon in meiner Jugend begegnet
bin - allerdings in einem griechisch-katholischen Gottesdienst - ihre Gesänge,
ihre mystische Aura - im Gegensatz zum pädagogisierten westlichen Gottesdienst
- ihre Prachtentfaltung - an der auch jeder Arme ohne Eintrittsgeld teilhaben
kann - so geliebt habe. Ich liebe einiges der russischen Literatur - ich gebe
zu, ich kenne nur wenig - aber Daniil Charms wird immer zu meinen
Lieblingsdichtern gehören. Sein Satz "Einst aß Orlov zuviel Erbsenbrei und
starb" und der ganze Text bringt mich immer zum Lachen als Parodie auf das
Schicksalgeringe bei Dostojewski, den ich natürlich auch verschlungen habe. Und
sein erster Satz in "Die neuen Bergsteiger" wird für mich für alle
Zeiten der lustigste, beste erste Satz der Weltliteratur (gut, gut - soweit ich
sie kenne) sein, noch dazu, wo er mein Lebensmotto sein könnte: "Bibikov
erstieg einen Berg, fiel in Gedanken und stürzte ab". Ich liebe viele
Filme des Moskauer Gorki-Instituts und besonders die Märchenfilme des Alexander
Rou aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, und "Warwara
krasa" ist für mich der schönste Märchenfilm aller Zeiten, hoch, hoch über
den zeitgleichen Disneydreck, weil dieser Film wirklich märchenhaft ist, voller
Poesie, psychologisch wahr und ohne Kitsch. Meine Kinder sind mit diesen
Märchenfilmen aufgewachsen. Nein, russophob war ich nicht, eher russophil - was
ich erst jetzt - also wahrlich verspätet! - in Frage stelle. Die Liebe zu
Charms und den erwähnten Filmen werde ich sicher nicht aufgeben, aber Russland
und vor allem seine Kirche viel, viel kritischer sehen als vorher; genauer: ich
singe nicht mehr im Chor und will nichts mehr mit der russisch-orthodoxen
Kirche zu tun haben. Und für die Angst vor Russland (Russophobie) gibt es für
Ukrainer, Polen, Balten und all die anderen Nachbarn gute Gründe und das nicht
erst seit heute: der russische Imperialismus ist nicht besser als irgend ein
anderer.
(10.3.2023)
©Peter Alois Rumpf März
2023 peteraloisrumpf@gmail.com
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