2808 Ich weiß von nichts
Mit trauriger, weiblicher Stimme spricht das Radio in der
Küche langsam und gedämpft, ohne dass ich aus meiner Entfernung im
Schlafalkoven etwas verstehe; nur die Stimmung sauge ich unabsichtlich
bereitwillig auf. Traurigkeit passt immer. Im Dickicht unseres trinitarischen
Wohnzimmerbaumes sehe ich ein kleines Männchen aus Zweigen – mehr kann ich dazu
nicht sagen. Jetzt redet kurz eine männliche Stimme im selben Tonfall wie die
weibliche vorhin aus dem Radio. Unser Baum steht starr und still und rührt sich
nicht; auch das Männlein im Geäst verharrt im Schritt. Die Welt hält eine
Trauerminute? Oder nur meine Welt? Ich weiß von nichts. Je länger ich hinschaue,
desto substanzieller wird das Männchen. Oder könnte es auch ein schlankes
Weiblein sein? Ich weiß von nichts. Der Lampion im Baum schaut wie ein heißer,
verschrumpelter, vertrockneter Planet aus; selbst das Feuer ist eingetrocknet.
Dieser unglaubliche Schmerz in der Welt! Auch die Nachrichten jetzt im Radio
klingen traurig (verstehen kann ich hier nichts). Hat mein Bewußtsein den
Traurigkeitsgang eingelegt? Die Musik jetzt: traurig. Fröhliches Gedüdel geht
mir eh nicht ab. Ich will gar keine Erklärungen dazu. Auch die Schmetterlinge
sind traurig. Die indigenen Schmetterlinge in Guatemala sowieso.
(23.7.2022)
©Peter Alois Rumpf
Juli 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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