Samstag, 23. Juli 2022

2808 Ich weiß von nichts

 

Mit trauriger, weiblicher Stimme spricht das Radio in der Küche langsam und gedämpft, ohne dass ich aus meiner Entfernung im Schlafalkoven etwas verstehe; nur die Stimmung sauge ich unabsichtlich bereitwillig auf. Traurigkeit passt immer. Im Dickicht unseres trinitarischen Wohnzimmerbaumes sehe ich ein kleines Männchen aus Zweigen – mehr kann ich dazu nicht sagen. Jetzt redet kurz eine männliche Stimme im selben Tonfall wie die weibliche vorhin aus dem Radio. Unser Baum steht starr und still und rührt sich nicht; auch das Männlein im Geäst verharrt im Schritt. Die Welt hält eine Trauerminute? Oder nur meine Welt? Ich weiß von nichts. Je länger ich hinschaue, desto substanzieller wird das Männchen. Oder könnte es auch ein schlankes Weiblein sein? Ich weiß von nichts. Der Lampion im Baum schaut wie ein heißer, verschrumpelter, vertrockneter Planet aus; selbst das Feuer ist eingetrocknet. Dieser unglaubliche Schmerz in der Welt! Auch die Nachrichten jetzt im Radio klingen traurig (verstehen kann ich hier nichts). Hat mein Bewußtsein den Traurigkeitsgang eingelegt? Die Musik jetzt: traurig. Fröhliches Gedüdel geht mir eh nicht ab. Ich will gar keine Erklärungen dazu. Auch die Schmetterlinge sind traurig. Die indigenen Schmetterlinge in Guatemala sowieso.

 

(23.7.2022)

©Peter Alois Rumpf  Juli 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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