Freitag, 24. Juni 2022

2765 Beim Schreiben eingeschlafen

 

9:59 a.m. Wind ist aufgekommen und rüttelt an den zum Lüften offen gehaltenen Fensterflügeln. Die Katz hat sich in ein Versteck zurückgezogen. Ich fürchte immer: zum Sterben. Beklemmung steigt in mir auf. Der Wind rüttelt an einer schlecht arretierten Tür. Nein, die Katze ist hervorgekommen und zu ihrem Katzengras. Ich bin erleichtert, aber sogleich befällt mich Unruhe, weil es mir nicht und nicht gelingen will, die Pölster für mich bequem im Rücken zu schlichten. Ich schwitze, dass sich meine Brillen beschlagen. Endlich kotzt die Katze wieder ihr Zeugs heraus. Es scheint ihr besser zu gehen. Sie bewegt sich auch elegant nach Katzenart. Im Regal hat der Codex Iuris Canonici an seiner Rückenbeschriftung aufgeblinkt; wieso ist mir ein Rätsel. Mir fällt ein, meine verkrampfte linke Hand, die das Notizbuch hält, in eine entspanntere Haltung zu bringen. Meine Aufmerksamkeit will sich auf meine Leibesmitte konzentrieren und beginnt zu schweben. Ich komme mir vor wie eine um mein Bewußtsein gekrümmte Raupe. Meine Konturen gibt es, aber sie sind weiter als die aufgelösten meines physischen Körpers. Ich befehle meiner linken Hand, das Notizbuch loszulassen und sich flach auf die Matratze zu legen. Das Notizbuch ist in einer Falte der Bettdecke sozusagen eingeklemmt. Ich versuche, in die Raupengestalt zurückzukehren; diesmal gehen die konturauflösenden Wellen vom Nacken aus, aber der pysische Körper bleibt stärker. Was soll man über einen Schriftsteller sagen, der während des Schreibens einschläft? Irgendetwas hat sich im Regal bewegt. Dieses Regal ist schon so von meiner Betrachtungsenergie aufgeladen, dass es möglicherweise bei meinem Tod mit meiner Seele davonfliegt oder sich als verlassenes, herrenloses Gespensterregal des nächtens in der Welt herumtreiben wird.

 

(24.6.2022)

©Peter Alois Rumpf  Juni 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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