2717 Wut am Bahnhof von Gloggnitz
Das junge Pfäfflein, möglicherweise ein
Kalasantiner-Arschloch-Büblein, winkt am Bahnhof von Gloggnitz mit seiner
junghüpfenden Begleiterin irgendwem Abreisenden wie ein Volltrottel. Mein Gott,
ich komm von meiner Wut und meinem Hass nicht runter. Sonst hätte ich diesen
Satz vorhin entweder gar nicht oder anders geschrieben. Weder Industrie noch
Landschaft, die am Zug vorbeilaufen, können mich umstimmen oder ablenken. Mein
Herz ist so schwer; zu schwer für eine
fragile Person wie mich. Miniaturregentropfenlinien am Zugfenster.
Sicher sieht man immer wieder schöne Bäume in maifrischem Grün, aber nichts, was
zum Verweilen einlädt, nichts, das meinem Herzen Erleichterung verspricht. St.
Ägiden, auch so ein Nicht-Ort! Drei Schotterhaufen zum Betonieren und etliche
Lacken. Die Lacken sind eh das Schönste hier; die Häuser, die sich spiegeln,
sind eh nur so, vom schmutzigen Wasser veredelt, ertragbar. Keineswegs eine
Utopie. Wird bei der nächsten Umwälzung behandelt werden wie Sodom und
Gomorrha; hat keine Zukunft, weil es dort nichts Zukunftweisendes gibt. Ach!
Könnte ich nur einfach weinen, dann müßte ich nicht arrogant vom Zugfenster aus
die Welt richten. Aber ich kann es nicht; die Wut ist stärker.
Das schaut im Vorbeisausen wie ein Hochständchen (zum -stand
reicht's nicht) auf einem Misthaufen aus: in den Misthaufen gehören die
Jäger mit ihrer Jägerei – ob in Mensdorff oder in Pouilly oder sonstwo im
mitteleuropäisch beeinflussten Raum. Eine schwarze Krähe hellt mein schweres
Herz ein wenig auf. Willkommen in der wienerneustädtischen Welt der Stangen,
des Gestänges, der Gestelle und hässlichen Bauten. Gell, Kodo! Hässlich, ich
bin so hässlich, ich bin der HaSS! Ausgerechnet der Berliner Zug startet und
nimmt Fahrt auf. Wir Ösidösi warten noch. Die feinen Regentröpfchen an den
Fensterscheiben. Auch ein junger Mann kann beim Sich-Hinsetzen grunzen wie ein
alter Mann. Ich will nach Hause. Ich will jetzt nicht mehr warten. Irgendein
hysterisches Stöckelschuhgeklapper. Eine schirche fette Sau zieht einen
giftgrünen Trolly den Bahnsteig 3 entlang. Der Schaffner bedankt sich per
Lautsprecher für unser Verständnis für die weitere Verzögerung der Abfahrt, aber
mein Verständnis hat er gar nicht! Was erlaubt er sich! Das ist ein Übergriff
und eine ungefragte Vereinnahmung! Ein Vollhonk, der es nicht schafft, seine
Maske über die Nase zu ziehen, zieht das Rollo bei diesem trüben Wetter
herunter. Irgendwer ißt irgendwas, das stinkt. Ich werde jetzt meine Wut und
meinen SelbsthaSS überwinden und einen Apfel und ein Stück trocken Brot, die
ich nicht bezahlt habe, essen. Dort, wo die Gestellwucherungen und die
Betoniersucht den Blick freigeben, ist über die weite Ebene hinweg der Anblick
der fernen Regenberge herzerfrischend schön. Ich habe keinen Hut auf, den ich
vor den vielen blühend vorbeifliegenden Hollern ziehen könnte. Aber schon ihr
kurzer vorbeisausender Anblick verschafft meiner verquälten Seele genug Freiheit
für einen tiefen Atemzug. Der Transportbeton jedoch wird mit verlogenen
Fröhlichkeitsfarben ver-un-ziert. Auch die näheren Regenberge – wenn die
destruktive landschaftsverschandelnde Menschentüchtigkeit den Blick frei gibt,
sind schön. Eine Frau, deren Gesicht ich nicht sehe, hält mir sitzendem
Fensterrausgaffenden plötzlich und mir völlig unvermittelt im Ausweichen vor
einer zugdurchwandernden Karawane ihren ordentlich ausgewölbten Busen vors
Gesicht. Ich will das nicht mehr! Gestrichen! Es lebe die sexuelle und
mamologische Keuschheit! Ich habe genug! Aus lauter Frust gebe ich für heute
das Schreiben auf.
(29.5.2022)
©Peter Alois Rumpf Mai 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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