2711 Unbenützt und unverrückt
Es ist Nachmittag und ich hocke auf dem Bett in die Pölster gelehnt, habe
den Mann ohne Eigenschaften beiseite gelegt und betrachte das Spiel des Lichtes
beim Fenster drüben. Sonnenflecken hängen an der rechten Fensternische, ein
kleiner am Boden unter dem Schreibtisch – mir ist nicht klar, wie der da
hingelangt und überhaupt ob die Sonnenflecken direkt oder über das
Dachbodenfenster gespiegelt ankommen – ein anderer hat sich flach auf das
Deutsch-Englisch-Wörterbuch, das auf dem Schreibtisch bereit liegt, gelegt, ein
wenig wird mein Kaffeeheferl von Licht genetzt und ein Gefäß mit irgendeiner
esoterischen Gesundheitssubstanz, das dort schon jahrelang, wirklich einige
richtige Jahre lang unbenutzt und unverrückt steht, weil ich bald nach der
Erwerbung dieses Nahrungsergänzungsmittels wieder aufgehört habe, meine Nahrung
damit zu ergänzen, bekommt auf der Staubschicht am Deckel Lichtschimmer ab und an der runden Seite des Deckels zwei kleine, starke, markante
Lichtkulminationspunkte. Nun ist es aber so, dass offensichtlich Wolken über
den von meiner Höhle hier aus unsichtbaren Himmel ziehen, denn das gelbliche
Sonnenlicht wird zeitweise dünn, noch dünner, dann wieder stärker, manchmal
verschwinden die Sonnenflecken, um bald wieder erneuert, befreit und erlöst
ganz glücklich aufzustrahlen. Ein wunderschönes Schauspiel. Die Bühne
abwechslungsreich und mehrstöckig aufgebaut, das Erscheinen und Verschwinden
der Lichtgestalten kann ich ahnen, aber nicht voraussehen, bleibt also
spannend, ihre langsamen Veränderungen in ihren Formen und ihren Standorten
bereiten manchmal beinahe atemberaubende Situationen und Abfolgen. Keine
Ahnung, worum es in diesem Theaterstück geht, aber es muß etwas eminent
Schicksalhaftes und Lebensentscheidendes sein.
Die Sonnenflecken in der Fensternische sind verschwunden,
die Kaffeetasse wird jetzt angestrahlt und der darunter liegende Zeilenspiegel.
Auf für mich nicht nachvollziehbaren Wegen leuchtet das Türchen des
mittelgroßen Kästchens, das unter dem Schreibtisch steht, und zwar so, als
würde es von hinten, also vom Inneren aus beleuchtet werden. Auch ein paar
Perlen der Rolloschnur bekommen jetzt Sonnenlicht ab. An den sonnenbeschienenen
Teilen des Fensterglases kann ich sehen, wie schmutzig die Fenster schon sind,
aber das stört mich nicht. Nichts kann mich aus meiner Betrachtung weglocken.
(26.5.2022)
©Peter Alois Rumpf Mai 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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