Donnerstag, 30. September 2021

2451 Nach C

 

Ich sitze auf der Strudelhofstiege in der zweiten Kurve und esse eine Käseleberkässemmel und eine Semmel mit faschiertem Laberl und trinke ein Cola classic: Doderer wird sich im Grab umdrehen, zumindest des Colas wegen. Ein Kindergarten wurde vorbeidefiliert: Zweierreihe! halt! weiter! etc. und viele Passanten für eine – in meiner Wahrnehmung – so abgelegene Gegend. Ein heraufstapfendes Paar lacht laut. Ich beziehe es gleich auf mich (ein bisserl Größenwahn – man gönnt sich ja sonst nichts) aber das ist wohl eine voreilige Annahme, oder? Oder meine Zöpfchen? Ein Hund bellt, Motorräder jaulen auf, Autos rauschen. Irgendwer sagt „hopphopphopp!“ - aber sehr pointiert – es klingt wie „poppoppopp!“ im Stakkato.  - wie vermutet zu einem Hund, um ihn die Stiegen hinauf zu dirigieren. Ich geh die Stiege nicht runter, ich bin ja kein Tourist; ich raste hier lediglich. Jugendliche und Hubschrauber. Touristinnen. Passantinnen. Mit einem Jahr Therapie darf ich laut Kranker-Gesundheits-Kassen-Psychiater noch rechnen. Ich denke, ich bräuchte Therapie bis an mein Lebensende (schließlich hatte ich schon das Messer neben meinem Bett liegen), aber gut, vielleicht geht es sich eh aus. Ansonsten werde ich tun, was ich immer mache: mich nach der Decke strecken. Zur Gänze die Therapie allein bezahlen kann ich mir sicher nicht leisten. Es geht eh so schon die Hälfte meiner Pension drauf. Dann eben nicht. Ich finde zwar, dass mir das auf Grund einer Kindheit in gewalttätiger Umgebung zustünde (und nicht nur mir), aber meine Interessen und Ansprüche durchzusetzen war nie meine Stärke. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben; also höre ich jetzt mit dem Gejammer auf und mache keine Umstände; ich will ja auch nicht in Verzweiflung fallen; dafür ist es dann, wenn es so weit ist, immer noch Zeit.

Nun bin ich doch die Strudelhofstiege hinunter gegangen um einen Papierkorb für meine Abfälle zu finden. Darum sitze ich jetzt bei dem Wasser speienden Fisch im Strahlenkranz aus Steinen. Das Plätschern klingt irgendwie nach seelischem Überdruck; es klingt nicht so entspannt. Das Gedicht von Doderer fährt mir nicht ein. Schade. Das hier ist offensichtlich der Touristen- und der Doderer-Bewunderer-Hotspot. Es wird viel photographiert. Unruhe.

Eine Frau in Rot will auch auf der Bank sitzen; ich erlaube es ihr, nachdem sie höflich gefragt hat. Ein magischer Ort ist es schon. An das starke Wasserrauschen habe ich mich inzwischen gewöhnt. Auch die Umgebung ist besonders; die Häuser sind interessant, der Geländeabbruch sowieso. Ich finde es hier nicht typisch für Wien! Und das tut dem Ort gut. Der Fisch pritschelt die Steine unter seinem Kinn an. Ich betrachte die Wellen im kleinen Auffangbecken. Die rote Frau schreibt jetzt auch. Von rechts nach links. Hebräisch ist mein erster Gedanke. Oder Arabisch. So gut sehe ich nicht trotz auffällig unauffälligen Hinschielens nicht auf ihr Blatt. Farsi könnte es auch sein (und das war richtig, wie ich erfragen konnte. Nicht immer ist der erste Gedanke der richtige, vor allem, wenn er sich erst durchs Vor-Gedachte hindurch kämpfen muß). Ja, diese Stiege wird von nicht wenigen normalen Passanten benutzt, die von A nach B wollen. Und ich muß bald nach C.

 

(30.9.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf   September 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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