2451 Nach C
Ich sitze auf der Strudelhofstiege in der zweiten Kurve und
esse eine Käseleberkässemmel und eine Semmel mit faschiertem Laberl und trinke
ein Cola classic: Doderer wird sich im Grab umdrehen, zumindest des Colas
wegen. Ein Kindergarten wurde vorbeidefiliert: Zweierreihe! halt! weiter! etc.
und viele Passanten für eine – in meiner Wahrnehmung – so abgelegene Gegend.
Ein heraufstapfendes Paar lacht laut. Ich beziehe es gleich auf mich (ein
bisserl Größenwahn – man gönnt sich ja sonst nichts) aber das ist wohl eine
voreilige Annahme, oder? Oder meine Zöpfchen? Ein Hund bellt, Motorräder jaulen
auf, Autos rauschen. Irgendwer sagt „hopphopphopp!“ - aber sehr pointiert – es klingt
wie „poppoppopp!“ im Stakkato. - wie
vermutet zu einem Hund, um ihn die Stiegen hinauf zu dirigieren. Ich geh die
Stiege nicht runter, ich bin ja kein Tourist; ich raste hier lediglich.
Jugendliche und Hubschrauber. Touristinnen. Passantinnen. Mit einem Jahr
Therapie darf ich laut Kranker-Gesundheits-Kassen-Psychiater noch rechnen. Ich
denke, ich bräuchte Therapie bis an mein Lebensende (schließlich hatte ich
schon das Messer neben meinem Bett liegen), aber gut, vielleicht geht es sich
eh aus. Ansonsten werde ich tun, was ich immer mache: mich nach der Decke
strecken. Zur Gänze die Therapie allein bezahlen kann ich mir sicher nicht
leisten. Es geht eh so schon die Hälfte meiner Pension drauf. Dann eben nicht.
Ich finde zwar, dass mir das auf Grund einer Kindheit in gewalttätiger Umgebung
zustünde (und nicht nur mir), aber meine Interessen und Ansprüche durchzusetzen
war nie meine Stärke. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben; also höre ich
jetzt mit dem Gejammer auf und mache keine Umstände; ich will ja auch nicht in
Verzweiflung fallen; dafür ist es dann, wenn es so weit ist, immer noch Zeit.
Nun bin ich doch die Strudelhofstiege hinunter gegangen um
einen Papierkorb für meine Abfälle zu finden. Darum sitze ich jetzt bei dem
Wasser speienden Fisch im Strahlenkranz aus Steinen. Das Plätschern klingt
irgendwie nach seelischem Überdruck; es klingt nicht so entspannt. Das Gedicht
von Doderer fährt mir nicht ein. Schade. Das hier ist offensichtlich der
Touristen- und der Doderer-Bewunderer-Hotspot. Es wird viel photographiert.
Unruhe.
Eine Frau in Rot will auch auf der Bank sitzen; ich erlaube
es ihr, nachdem sie höflich gefragt hat. Ein magischer Ort ist es schon. An das
starke Wasserrauschen habe ich mich inzwischen gewöhnt. Auch die Umgebung ist
besonders; die Häuser sind interessant, der Geländeabbruch sowieso. Ich finde
es hier nicht typisch für Wien! Und das tut dem Ort gut. Der Fisch pritschelt
die Steine unter seinem Kinn an. Ich betrachte die Wellen im kleinen
Auffangbecken. Die rote Frau schreibt jetzt auch. Von rechts nach links.
Hebräisch ist mein erster Gedanke. Oder Arabisch. So gut sehe ich nicht trotz
auffällig unauffälligen Hinschielens nicht auf ihr Blatt. Farsi könnte es auch
sein (und das war richtig, wie ich erfragen konnte. Nicht immer ist der erste
Gedanke der richtige, vor allem, wenn er sich erst durchs Vor-Gedachte hindurch
kämpfen muß). Ja, diese Stiege wird von nicht wenigen normalen Passanten
benutzt, die von A nach B wollen. Und ich muß bald nach C.
(30.9.2021)
©Peter Alois Rumpf September 2021 peteraloisrumpf@gmail.com
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