2436 Flecken in der dunkelbraunen Wand
Ich habe Regentropfen im Schlaf gehört. Und jetzt sind es
graue Ballungen mit Farbtupfern, die vor meinen Augen tanzen. Überhaupt gehen
Wellen von meinen Augen aus und wandern durchs Universum, bei dem ich mich für
den grauen Morgen bedanke. Ich versuche mich an die gestrigen Krimis zu
erinnern und an den gestern konzipierten heutigen Tag. Aber mein Gedächtnis ist
noch nicht so weit. Beim dritten Auge wurlt es; irgendein automatisches
Abcheckprogramm läuft ab. Vor kurzem war ich noch im Zug über den Semmering,
aber wer und warum legt so einen eigenartigen Zeitmaßstab an? Ich zwinge mein
Gehirn zum Nachdenken: Anfang August bin ich das letzte Mal diese Strecke
gefahren. Über meine Lippen läuft bewegungsloses Zittern, eine juckende innere
Vibration. Jetzt erst fühle ich meinen verschlossenen Mund. Ich kratze mich am
Kopf und mein Alltagsbewußtsein taucht ein paar Zentimeter weiter aus der
Ursuppe heraus. Ich kratze mich an der linken Schläfe und stierle mit dem
Klicker meines Schreibpiloten in meinem rechten Ohr, aber jetzt funktioniert
diese Methode nicht mehr und mein Alltagbewußtsein droht wieder zu versinken.
Da hilft nur Radikalität, die ich im Moment nicht aufbringe. Ich kämpfe tapfer
aber defensiv gegen die Zufälle der Augen, die schon so jucken. Mit
geschlossenen Augen sehe ich nichts, nur leicht hellere Flecken in der
dunkelbraunen Wand. Ich kratze über das juckende dritte Auge und anschließend
die juckende Nase, wobei des Jucken zuerst hinter die Ohren und dann wieder zum
dritten Auge wandert. An den Konturen meines schreibenden Pilotpens und der ihn
führenden Hand erscheinen kleine Lichtabstrahlungen und verschwinden wieder.
Ich lege meinen Kopf zurück, den Nacken auf den kleinen Polster über der Kante
meines Bettgestells. Mein linker Arm, der mein Notizbuch etwas verkrampft
festhält, driftet ins Bewußtsein. Ich versuche, ihn etwas zu entspannen, um
mein Herz zu schonen, was jedoch seit der Opferung des ersten Gliedes meines
linken Daumens auf dem Kreissägetisch vor 44 Jahren nicht mehr vollständig
möglich ist, weil durch den Cut eine ständige Spannung im linken Arm
zurückgeblieben ist. Die merke ich nur, wenn meine Aufmerksamkeit auf den Arm gelenkt
ist. Ich versuche einen inneren Lachanfall, der nicht so recht gelingen will.
Ich fasse den Entschluß aufzustehen. Bin neugierig, wie lange ich dafür
brauchen werde.
(22.9.2021)
©Peter
Alois Rumpf September 2021 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite