2431 Auf Englisch!
Zunächst: es ist schon 8 Uhr. Dann: über das
Auferstehungs-Himmelfahrts-Bild verläuft ein Kabel. Weiters: das versteckte
Halbnacktfoto meiner Frau fällt ganz leicht aus seinem Versteck.
(„Halbnackfoto“! Am Strand oben ohne.)
Und schon wieder bin ich mit meinen Gedanken abgerutscht und beim „Gott“-Welt-Problem: wie ist die Wirksamkeit „Gottes“ in der Welt zu denken? Und wo ziehe ich die Grenze zwischen „Gott“, göttlich und irdisch? Und das vor dem Hintergrund der zwei Möglichkeiten, das Göttliche im Namenlosen zu belassen – mit der Gefahr, es aus den Augen und der Welt zu verlieren und es dann kompensatorisch radikal in einem fragwürdigen Kraftakt deklamatorisch in die Welt hinein zu knallen – im Gegensatz zur hellenistischen Variante, das Auftreffen des Göttliche auf Erden so zu betonen, dass schnell alles göttlich wird mit der Gefahr, das Göttliche völlig in die Welt zu ziehen und zu verweltlichen, sodaß auch der Kaiser göttlich wird und die Götter dieselben Intriganten und Schlitzohren und dualitätsblind sind, dann gibt es einen Gott für Rapid, einen für die Austria und auch einen für die Bedürfnisse und Verdrängungen der Kriegerdenkmalisten. In meiner Phantasie erkläre ich das gerade jungen, laizistischen Juden aus Amerika, die einmal hier zu Besuch waren und die frühere Wohnung ihres Großvaters besichtigen wollten, auf Englisch. Auf Englisch! Wo ich doch nicht einmal in der Lage bin, auf Englisch jemandem, der mich nach dem Weg fragt, zu sagen „geradeaus“. Angefangen hat dieser Gedankenwirbel damit, dass ich meine Photokopie des von mir gemalten Bildchens vom – vielleicht – letzten Abendmahl, die ich erst kürzlich angetackert habe, betrachtet habe, ein Bild, das aus einer Zeit stammt, als dieser jüdische Amerikaner mit seiner Freundin hier in der oberen Wohnung war – damals noch Atelier und die Bildchen zu meiner Begutachtung an der Wand gelehnt, und sie, die Freundin, gesagt hat – auf Englisch natürlich – dass ihr meine Bilder gefallen. Ich habe aber nicht reagiert. Es wäre doch das Naheliegendste gewesen, ihnen eines oder mehrere zu schenken. Diese Bildchen hatten alle mehr oder weniger christlich angehauchte Motive, womit ich ihnen nicht zu nahe treten wollte. Vielleicht mit dem unterschwelligem Schuldgefühl, dass wir als Christen den Juden ihre Geschichte, ihre Propheten und ihre Geschichten und Namen in gräzisierter Form gestohlen haben. Aber es war auch die Scham, als Sohn eines SS-Mannes in einer – wie ich vermute – arisierten Wohnung zu leben - noch dazu, wo auch die mütterliche Herkunftsfamilie schwer in Verbrechen verwickelt war – in einer Wohnung in einem Haus, indem ein Sammellager untergebracht war. Ich war völlig blockiert und von Schuld und Scham handlungsunfähig.
Jedes Mal, wenn ich die Bildchen aus dieser Serie oder deren
Photokopien sehe, erinnere ich mich, wie ich im Malerkittel die Eingangstür
oben, an die geklopft wurde, öffne und dieses junge Paar mit der Bitte, die
Wohnung anschauen zu dürfen, davor stand. Und wie schon gesagt: Vor
Schuldgefühl und Scham und wegen meiner schlechten Englischkenntnisse war ich
nicht in der Lage, wie ein souveräner Mensch zu reagieren, sie nicht nur
hereinzubitten, sondern ihnen einen Platz und auch etwas zu trinken anzubieten
und ihnen wenigstens ein Bild zu schenken.
(15.9.2021)
©Peter
Alois Rumpf September 2021 peteraloisrumpf@gmail.com
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