2383 Mein liebes liebes Zimmer
Mein liebes, liebes Zimmer! Meine bunte, absurde, verrückte, lächerliche, freche Ikonostase, die ich im Aufwachen mehr noch aus dem Schlaf heraus glückselig betrachte und die mein Herz erfrischt.
Meine geliebte,
angebende, chaotische, verstaubte, überladene, entstellte Bücherwand, auf die
ich so stolz bin und die mich immer an mein ernsthaftes Lebensprogramm
erinnert, mich gleichzeitig vor meiner Aufgeblasenheit warnt und mir meine
Ungebildetheit und betrügerische, unechte Seriosität vorführt. Größenwahn und
Kleinheitsfimmel.
Ach und die vielen Kunstkarten, überall platziert und
angelehnt, ein wenig verraten sie meine wahren Interessen, wenn man die nackigen
Weiber zählt.
Die vielen Zeichnungen und Basteleien meiner Töchter: die
holen eine tiefe Trauer hervor, weil es offensichtlich ist und ich es nicht
mehr verdrängen kann, wie unwürdig ich mich dieser reinen mir
entgegengebrachten Liebe erwiesen und wie sehr ich meine Kinder im Regen stehen
gelassen habe – völlig in mich selbst verkrümmt.
Meine eigenen Bilder, die ich sehr, dann gar nicht ernst
nehmen kann, über die ich lache oder mich freue, und die ich öfters nutze – ich
weiß nicht, ob in andere Dimensionen zu gaffen oder doch bloß eine groteske
Selbstinszenierung und -erhöhung zu betreiben. (Aber verbrennen werde ich sie nicht mehr!)
Der Schreibtisch, der auf den ersten Blick nach ernsthafter,
chaotischer Arbeit und ernsthaftem Forschen und Lesen, oder meinetwegen nach
anstrengender Verwaltung aussehen mag, aber doch den stundenlangen
Internetsüchtler verrät.
Die kultischen Gegenstände, Werkzeuge und Aufbauten:
zwanghaftes und frömmelnde „Vollzugswichtigtuerei“ (c/o W.Döbereiner) oder
zynische, spöttische Gotteslästerei.
Mein Zimmer! Das mir wirklich Zufluchtsort und schützende
Höhle ist. Spätestens wenn ich sterbe muß ich ohne all dem auskommen, und nackt
der Unendlichkeit gegenübertreten. Bis es so weit ist genieße ich diese
Inszenierung hier.
(19.8.2021)
©Peter Alois Rumpf August
2021 peteraloisrumpf@gmail.com
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