Donnerstag, 26. November 2020

2085 In meinem Körper als Angst

 

Was waren die Tage, als meine Welt frei war? Doch nur im Rausch zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Rauschgraden: Wie ich auf dem Fest nach meiner ersten Lesung betrunken mit dem Kopf auf dem Schoß einer fremden Frau selig eingeschlafen bin und glücklich das Reden und Lachen der fröhlichen Runde gehört habe. Wie ich sturzbetrunken im Stiegenaufgang der Universität Graz im oberen Stock auf dem glatten Marmor der Balustrade frei und unbekümmert herumgestanzt bin, ich, der ich kaum einen Halbmeter hohen Zaun ohne am ganzen Körper zu zittern übersteigen kann. Wie ich betrunken in der BlueBox „ich liebe euch!“ gerufen habe. Wie ich völlig verkatert durch den Park von Versailles spaziert bin, innen voller Musik, und zufällig die Stelle mit dem Riß in der Welt entdeckt habe. Wie ich in Salamanca eingeraucht mit meinem Kompagnon die ganze, aber wirklich die ganze Plaza mayor von einem Ende zum anderen, von einer Ecke zur anderen gesegnet habe. Wie ich ein paar Stunden später das Wunder eines aus der Naht der Autopolsterung abstehenden Fadens geschaut habe.

Manchmal jedoch fühle ich meine Welt auch frei, wenn ich als Hänschen klein oder Hans im Glück fröhlich meinen Weg wandere. Und als ich noch mit meinen Kindern den Weg von der Stallaalm hinuntergehüpft bin.

Ich höre mit der Aufzählung auf.

Meine Unfreiheit liegt, sitzt, steckt in meinem Körper als Angst. Oder umgekehrt.

 

 

(25./26.11.2020)

 

©Peter Alois Rumpf   November 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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