2085 In meinem Körper als Angst
Was waren die Tage, als meine Welt frei war? Doch nur im
Rausch zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Rauschgraden: Wie ich auf dem Fest
nach meiner ersten Lesung betrunken mit dem Kopf auf dem Schoß einer fremden
Frau selig eingeschlafen bin und glücklich das Reden und Lachen der fröhlichen
Runde gehört habe. Wie ich sturzbetrunken im Stiegenaufgang der Universität Graz im
oberen Stock auf dem glatten Marmor der Balustrade frei und unbekümmert
herumgestanzt bin, ich, der ich kaum einen Halbmeter hohen Zaun ohne am ganzen
Körper zu zittern übersteigen kann. Wie ich betrunken in der BlueBox „ich liebe
euch!“ gerufen habe. Wie ich völlig verkatert durch den Park von Versailles
spaziert bin, innen voller Musik, und zufällig die Stelle mit dem Riß in der
Welt entdeckt habe. Wie ich in Salamanca eingeraucht mit meinem Kompagnon die
ganze, aber wirklich die ganze Plaza mayor von einem Ende zum anderen, von
einer Ecke zur anderen gesegnet habe. Wie ich ein paar Stunden später das
Wunder eines aus der Naht der Autopolsterung abstehenden Fadens geschaut habe.
Manchmal jedoch fühle ich meine Welt auch frei, wenn ich als
Hänschen klein oder Hans im Glück fröhlich meinen Weg wandere. Und als ich noch
mit meinen Kindern den Weg von der Stallaalm hinuntergehüpft bin.
Ich höre mit der Aufzählung auf.
Meine Unfreiheit liegt, sitzt, steckt in meinem Körper als
Angst. Oder umgekehrt.
(25./26.11.2020)
©Peter Alois Rumpf November 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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