Mittwoch, 25. November 2020

2083 Gegrüßet seist du Weidenbaum

 

Gegrüßte seist du Weidenbaum, an diesem grauen Morgen. Und alle deine Freunde da unten: der Kirschbaum, der Akazibam, der Hollunder der arme grausam zurückgestutzte, die Rosen, die Essigbäume und alle anderen im Hof, und auf der Straßenseite die drei und der eine ums Eck, deren Namen ich nicht kenne.

Die Stimmen vom Morgenjournal monotonisieren bis herauf; verstehen kann ich Gottseikrank nichts. Dunkelgrau bläuliches Licht versammelt sich vorm Zimmerfenster und staut sich an der grauen Hauswand. Aber immerhin ein kurzer Ausblick, um dessentwillen ich heute Nacht das Rouleau nicht herunter gelassen habe („Dtu! Nein! Nein!“)

Irgendwo in der Wohnhausschlucht brummt irgendein Motor, der regelmäßige Hubschrauber macht die tiefere Oberstimme, meine Ohren mit ihrem Surren halten locker mit und unterlegen diesen musikalischen Cluster mit den höchsten Tönen. Meine Augen sehen, was sie zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Stunden am Tag sehen: mein Kemenatenreich und sie mögen diesen Anblick, vor allem, wenn mein Schauen aus dem Fenster darf; aus dieser Perspektive ein, zwei Meter bis zur Hauswand.

Wie vor vier Stunden hocke ich im Bett und mache das, was in der Nacht Abendbetrachtung war zur heutigen Morgenandacht. Das Licht vom Fenster wird schnell heller und lichter, transparenter könnte ich auch sagen und sage es. Ich drehe zufällig den Kopf nach links und bestaune den Faltenwurf des hingeworfenen Taggewandes am überfüllten Sessel. Bald werde ich das Leselicht, das jetzt zum Schreiben dient, abdrehen und weiterschlafen. Und das Licht vorm Fenster wird hell und klar wie Luft sein.

 

 

(25.11.2020)

 

©Peter Alois Rumpf   November 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

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