1775 Beim blöden Kardinal
Albertina. Beim blöden Kardinal schaue ich in den Spiegel.
Vertrauenserweckend schaue ich nicht aus. Fast wieder wie eine Karikatur meiner
selbst.
Wie ein Fußballer am Feld ziehe ich meine Stutzen rauf, die
mir immer wieder runter rutschen. Ansonsten kann ich nicht viel reparieren. Den
Pullover, den ich wie ein Wanderer – ich weiß nicht, ob das Wanderer heute, in
Zeiten wie diesen auch noch machen – um meine Hüften und meinen Hintern
geschlungen habe und mit seinen Ärmeln am Bauch vorne verknotet – könnte ich
wieder hinunter nehmen. Aber wohin, wenn ich nicht zur Garderobe zurück will
und nicht weiß, ob mir nicht doch zu kalt wird? So ist es bequem und meinem
kaputten Kreuz warm. Aber das macht meine Körpermitte recht dick und breit, was
sehr blöd ausschaut. So richtig blöd!
Heute habe ich alle Kokoschkas angeschaut, nicht nur meine
zwei Lieblinge: die Städte. Die habe ich aber auch genau, lange und intensiv betrachtet,
bis mir die Tränen aufgestiegen und angestaut sind. Ja, die Welt! Die liebe,
fremde, mir unerreichbare Welt. Ich seufze.
Ich schau wirklich wie ein Narr aus. Das bunte, farblich
unvorteilhaft zusammengestellte Gewand, die Glatze und die abstehenden Haare,
die zu weite, ausgebeulte Hose, die pseudoseriöse Brille und mein dummes
Grinsen, die klobigen Schuhe, die verkrümmte Haltung, das altgewordene,
ungelebte Gesicht („jetzt geh i a scho aufn Siebzga zua, und bin oiwei no da
hoitabua“ - um ein Beispiel aus einem anderen Milieu zu nehmen. Goiserer Viergesang, mit kleiner zehnjähriger Änderung). Nein, ich kann
mich noch so oft im Spiegel anschauen: daran ändert sich nichts.
Ich genieße wieder die Giacometti-Schatten. Für mich sind
die wie Offenbarungen. Die Schatten, die ich jetzt mit meinem mickrigen Handy
zu photographieren versucht habe. Hätte ich Geduld und Ausdauer und genügend
Selbstbewußtsein, um hier drei Stunden zu sitzen und meine Augen zum Beispiel
in den Schatten des Käfigmenschen zu versenken – ich glaube, es würde dann die
Welt angehalten und ich erleuchtet sein (was nicht heißt, daß man dann kein
Blödel mehr ist oder wieder zu einem solchen herabsinkt – vergleiche die
Geschichte von der Verklärung am Berg Tabor).
Plötzlich ist die Bude hier bummvoll, sodaß die Schatten
dauernd verstellt sind und es zu stinken anfängt. Natürlich glaube ich sofort,
daß ich selber es bin, der da stinkt. Aber ich bin es nicht. Ich habe es extra
überprüft, indem ich von den Leuten abgerückt bin, und da rieche ich nichts.
Macht nichts. Ich gehe weiter. Bei den Sphinxen bleibe ich
nur zum Photographieren stehen, wie es einem Narzissten gebührt und um meinen
Eigendünkel zu feiern.
Beim Leibl werde ich noch die Zeichnungen anschauen.
(24.2.2020)
©Peter Alois Rumpf,
Februar 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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