1766 In der psychodelischen Ecke
Nun: zuerst in der „psychodelischen Ecke“ (John Frusciante:
The Will to Death) – ich brauche nichts sagen.
Heute schaue ich Katharina Grosse's Ohne Titel nicht auf die
Zehen, sondern oben auf den „Kopf“, auf die unten offenen Bögen der zuletzt
aufgetragenen Farblinien. Und dann luge ich zu den zwei Richters hinüber.
Und jetzt gehe ich überhaupt in den Richter-Teil.
Heute nimmt mich ein anderes abstraktes Bild Richters (2001)
„gefangen“. Bis jetzt habe ich es im Vorübergehen als so eine Art „Abwälzung“
gesehen und ignoriert, aber nun spricht und zieht es mich und meine
Aufmerksamkeit an.
Ich hocke wieder vor Scheibls Glut, aber die drei Base-Litze
im Raum stören mich maßlos. Und auch in den Raum dahinter gehe ich nicht und
will ich auch nicht hinschauen.
Wieder vor Grosses O.T. (John Frusciante und Omar
Rodriguez-Lopez spielen auf); eigentlich unmögliche Farben und Farb- und
Formkombinationen, aber dennoch! Ich dreh mich sogar zu einem Oehlen um: auch
fast unmöglich, und dennoch! Diese Ecke gefällt mir! Hier sitze ich gerne.
Jetzt ist auch der Platz vorm Trio 4 frei und ich eile hin.
Ich habe es ein Meisterwerk genannt. Jedoch bin ich mir wegen des Hintergrunds
nicht sicher – ist der nicht doch zu gewollt, fast gewaltsam, oder? Oder lieg
ich daneben?
Die drei Köpfe strahlen immer noch von lauter Licht. Die
innere Energie ist ihnen noch nicht erloschen.
Ich habe mich wieder hingesetzt. Batliner. Erster Raum. Ich
trage die bunte „chinesische“ Jacke, die mich in den finanziellen Ruin zu
ziehen droht und darunter das schwarze T-Shirt mit der gelben Schrift „Da steht
nichts drauf!“. Weil aber die offen getragene Jacke Anfang und Ende des Satzes
abdeckt, kann man nur „steht nichts“ lesen. Was mir doch etwas peinlich ist,
gerade Modiglianis Prostituierter gegenüber, aber auch wegen der Besucher, die
das verstehen. GottseiDank kann ich fast alles zu einem Witz erhöhen oder
degradieren.
Rechts vom Modigliani hängt auch ein Akt, der mir heute zum
ersten Mal in mein Bewußtsein sickert. Von hier aus kann ich den Beitext nicht
lesen.
Im Ausweichen vor den vielen Besuchern im Fauvistenbereich
stoße ich auf Vuillards Blaues Zimmer, das mich sofort fasziniert. Das Zimmer,
die Frau – eine Welt, mir immer unzugänglich. So gekonnt! So schön! Solche
Bilder liebe ich. (John Frusciante, All We Have“ auch so eine versteckte
Perle).
Der nächste Raum ist neu gestaltet; der quadratische Klee
ist weg und der lustige Feininger. Meine Augen bleiben an zwei Bildern von
Marianne von Werefkin hängen: Der Nachtschwärmer, Sturmnacht. Im ersten der
Wolf und sein Mondschatten; im zweiten das beleuchtete Cafe und wie das Licht
den Platz vorm Eingang erhellt, während sich die ganze Landschaft unter den
Sturm beugt. Und drei Männer davor herumschleichen. Toll gemalt! Ich habe mir
noch den Farbauftrag aus der Nähe angeschaut.
GottseiDank! Die Lieblingskokoschkas hängen noch. Dazu muß
ich nichts mehr sagen.
Ich bin sehr nervös, weil so viel umgehängt und neu ist und
einiges „verschwunden“. Das ist keine Kritik, ich muß mich umorientieren und
zum Teil neue Verbündete suchen.
Das Klee-Kabinett ist aufgelöst – nur mehr drei, aber andere
Bilder von Klee. Sirene 2 mit der Altstimme gefällt mir sofort! Und sonst sind
hier einige Picassos – von denen mir auch einige gefallen könnten, wenn ich
nicht so nervös wäre.
Darum habe ich mich bei den Giacomettis und ihren Schatten
eingeladen und hingesetzt.
Ja, es ist wieder da! Die Intensität der Skulpturen und vor
allem – das klingt unfair dem Künstler gegenüber, ist es aber nicht – ihrer
Schatten an der Wand. Vielleicht, daß ich ein Peter Schlehmil bin.
Was mir an den Schatten noch auffällt: daß auf das Licht,
das die Schatten an der Wand umgibt, das Material der Skulptur „abfärbt“. Bei
der Schmalen Büste auf Sockel (Amenophis) – ein goldener Anklang im Licht; beim
Käfig ein silberner.
Vorm Heimweg eine kurze Rast bei den Sphinxen, wo ich mich
als echter Narzisst auch photographiere.
(19.2.2020)
©Peter Alois Rumpf, Februar 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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