1764 In Verbannung
Gerade phantasier ich mir eine lustige Ermordung meiner
selbst durch irgendwelches Gesindel zusammen. Wo ich ganz fröhlich bin, weil
sie – im Glauben, mir etwas anzutun – in Wirklichkeit ganz in meinem Sinne
arbeiten. Also: ich phantasiere es. Ich bin gerade an der Stelle, wo ich
entscheiden muß, ob ich mich in letzter Minute doch noch retten lasse, oder
eben nicht.
Ich habe ja schon gesagt, daß meine Seele Tagträume als
Ventil braucht, auch wenn sie ure deppert sind – sie müssen nur als seelische
Entlastung funktionieren.
Ich nehme an, sowas will niemand hören. Es ist aber die
reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit, hohes Gericht.
Um auf bessere Gedanken zu kommen, schicke ich meinen Blick
über meine Bilder, und um für morgen ein Ziel zu haben, für das sich das
Aufstehen lohnt, nehme ich mir einen Besuch in der Albertina vor; damit ich
mich auf etwas freuen kann.
Ich darf nicht daran denken, auf welches Abstellgleis ich
abgeschoben bin! Wie in Verbannung, nur daß sie mir keiner aufzwingen muß.
Zurück zu meinen Bildern hier im Zimmer. Ich will auf die
aufkommende Verzweiflung nicht einsteigen.
Ich bin zu den Büchern abgeschweift. Ich habe meinen Blick
stolz über meine Bücher wandern lassen, habe einer imaginierten Person von den
Büchern erzählt, so als würde ich einem Besuch* meine Bibliothek zeigen und
Erklärungen abgeben, zum Teil unter Lachen, weil ich von einzelnen Büchern gar
nichts mehr weiß, obwohl ich sie gelesen habe.
Auch das ist klarerweise ein Ventil, phantasiere, als gäbe
es jemanden, den meine Schätze interessieren. Nicht ohne Besitzerstolz bin ich
das Bücherregal durchgegangen, doch im Gefolge kommt Wehmut und Schmerz, denn
was wird nach meinem Tod mit den Büchern, CDs, DVDs, Schallplatten, Bildern, Texten
passieren? Werden sie BesitzerInnen finden, die damit etwas anfangen können und
sich darüber freuen?
Sicher, alles Irdische ist vergänglich und auch bei größter
Sorgfalt gilt: ein Erdbeben, eine Gasexplosion, ein Krieg – und alles kann im
Dreck landen.
Ich versuche es nocheinmal mit den Bildern, oder habe ich
die schon bis zum Geht-nicht-mehr ausgelaugt?
Okay. Es funktioniert nicht. Ich werde Notizbuch,
Schreibzeug, Brille weglegen, das Licht abdrehen und in mich horchen,
nachspüren, wo Schmerz und Weh sitzen. Und was sie mir sagen wollen.
(18./19.2.2020)
©Peter Alois Rumpf, Februar 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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