Montag, 17. Februar 2020

1761 Am Westbahnhof


Am Westbahnhof schaue ich in Richtung der fernen, westlichen Berge. Auch hier gibt es Wächter. Gleichzeitig sind aber einige Sitze im unangenehm offenen Warte-eben-nicht-Raum sehr verdreckt. Der mir gegenüber sitzt muß sehr große und kantige Eier haben, weil er die Beine so weit, sehr weit spreizt. Dazu rutscht er so tief in den Sitz hinein, daß er mir sein Gemächt oder Geohnmächt regelrecht entgegenhält. GottseiDank fast zwei Meter Abstand!

Ich bin hier, um meine liebe Frau vom Zug abzuholen, wie es Frauen anscheinend so gerne haben und selbstverständlich finden (gegen den mit den mächtigen Eiern wäre ich auch keine große Hilfe – ich fürchte mich ja selber!). Ich wollte ihr schon schreiben, daß sie mir die falsche Ankunftszeit geschickt hat, aber es stimmt nicht: ich habe mich verlesen.

Ich bin müde, hungrig, unterzuckert, die untergehende Sonne löst Frust und seelische Unruhe aus. Mehr als ein Hauch von Sucht schwebt in der Halle als auch in meinem psychophysischen Innenraum.
Ein arabischer Junkie – in seinen besten Jahren demoliert – mit seinem Kompagnon – mir scheint, sie haben gerade noch ihren Deal mit einem Dritten abgewickelt – flüchtet vor zwei näher kommenden Polizisten, ohne daß die etwas mitbekommen. Mir ist es ja wurscht, aber wollen die nichts merken?

Mein zweiter MP3-Player – der erste war überhaupt plötzlich leer – gehorcht mir auch überhaupt nicht mehr: spielt etwas anderes, als angezeigt, ich kann herumdrücken wie ich will, er unterbricht die Musik, machte einfach Pausen, setzt weiter fort oder springt auf etwas ganz anderes. Wiederholt viermal dieselbe Freedom-Passage von Johnny Cash, springt aber dann auf John Frusciante, mitten hinein in eines seiner wunderschönen, schmerzhaften Drogenlieder aus seiner Drogenfinanzierungscede.

Ich werde nervös, aber nicht wegen der Musik, sondern ob der Zug schon angekommen ist. Dabei sehe ich von hier aus genau auf das richtige Geleis.

Auf der fernen Felberbrücke sehe ich die Autos – wie mir vorkommt viel zu schnell im Zeitraffer – über die Brücke sausen. John Frusciante singt inzwischen: „what I need is a haven“ (oder so ähnlich; es zählt ja was ich höre).
Die Anspannung steigt und hinter den Augen der Tränendruck.





(15.2.2020)






©Peter Alois Rumpf,  Februar 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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