1761 Am Westbahnhof
Am Westbahnhof schaue ich in Richtung der fernen, westlichen
Berge. Auch hier gibt es Wächter. Gleichzeitig sind aber einige Sitze im
unangenehm offenen Warte-eben-nicht-Raum sehr verdreckt. Der mir gegenüber
sitzt muß sehr große und kantige Eier haben, weil er die Beine so weit, sehr
weit spreizt. Dazu rutscht er so tief in den Sitz hinein, daß er mir sein
Gemächt oder Geohnmächt regelrecht entgegenhält. GottseiDank fast zwei Meter
Abstand!
Ich bin hier, um meine liebe Frau vom Zug abzuholen, wie es
Frauen anscheinend so gerne haben und selbstverständlich finden (gegen den mit
den mächtigen Eiern wäre ich auch keine große Hilfe – ich fürchte mich ja selber!).
Ich wollte ihr schon schreiben, daß sie mir die falsche Ankunftszeit geschickt
hat, aber es stimmt nicht: ich habe mich verlesen.
Ich bin müde, hungrig, unterzuckert, die untergehende Sonne
löst Frust und seelische Unruhe aus. Mehr als ein Hauch von Sucht schwebt in
der Halle als auch in meinem psychophysischen Innenraum.
Ein arabischer Junkie – in seinen besten Jahren demoliert –
mit seinem Kompagnon – mir scheint, sie haben gerade noch ihren Deal mit einem
Dritten abgewickelt – flüchtet vor zwei näher kommenden Polizisten, ohne daß
die etwas mitbekommen. Mir ist es ja wurscht, aber wollen die nichts merken?
Mein zweiter MP3-Player – der erste war überhaupt plötzlich
leer – gehorcht mir auch überhaupt nicht mehr: spielt etwas anderes, als
angezeigt, ich kann herumdrücken wie ich will, er unterbricht die Musik, machte
einfach Pausen, setzt weiter fort oder springt auf etwas ganz anderes.
Wiederholt viermal dieselbe Freedom-Passage von Johnny Cash, springt aber dann
auf John Frusciante, mitten hinein in eines seiner wunderschönen, schmerzhaften
Drogenlieder aus seiner Drogenfinanzierungscede.
Ich werde nervös, aber nicht wegen der Musik, sondern ob der
Zug schon angekommen ist. Dabei sehe ich von hier aus genau auf das richtige
Geleis.
Auf der fernen Felberbrücke sehe ich die Autos – wie mir
vorkommt viel zu schnell im Zeitraffer – über die Brücke sausen. John
Frusciante singt inzwischen: „what I need is a haven“ (oder so ähnlich; es
zählt ja was ich höre).
Die Anspannung steigt und hinter den Augen der Tränendruck.
(15.2.2020)
©Peter Alois Rumpf,
Februar 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite