1760 Albert, Ina und Peter
Ich besuche die drei Frauen. Und zum ersten Mal sehe ich den
Schmerz in ihren Augen – zumindest bei zweien. Die dritte – die im Profil –
scheint ansatzweise zu lächeln. Bei der Frau rechts zeigt sich etwas wie ein
Schock in den Augen; die Mittlere wirkt auf mich eher enttäuscht, schmerzlich
müde, desillusioniert, ein wenig gelangweilt. Vielleicht auch Scham, und könnte
das mit Hochmut rächen. Vielleicht aber schaut sie auch nur ins Andere, hier
abwesend, und sieht, daß das Andere leer ist. (Ximena Sariñana singt mit der Omar
Rodriguez-Lopez Group die schönen Wochentage.)
Ich raste in der „psychodelischen Ecke“ („corazon ...
silencia ... existes“ singt sie). Ich freue mich inzwischen jedesmal darauf,
mich hier niederzulassen. Heute rückt mir der Richter links näher: unglaublich
spannende, schöne Farben. Rechts schwingen Tomaskos Fierce und Sounds und
bilden zwei kleine, eigenständige Universen, in die ich als reiner Geist
hineinschwebe (n mich trauen würde).
Aber heute krümmt es mich – weder frei, noch Geist, noch
schwebend - wieder fest zusammen; dem titellosen Bild vor mir schaue ich
sozusagen auf die Zehen – höher kommt mein Blick schwer rauf.
Vor Richters Aladin und Flow würde ich gern sitzen und
länger verweilen, aber hier ist keine Bank – was ich verstehe, denn die würde
den weiten Blick aus dem anderen Raum auf die Trinkende Frau verstellen und
verstören. Und das wäre sehr schade.
Überhaupt Richter: so
viele verschiedene Phasen und Stile und Techniken – das gefällt mir und
bestärkt mich, macht mir Mut und Zuversicht. Wie schon gesagt: die Farben und
Formen der vier Bilder würde ich gerne länger begaffen und auch sein abstraktes
Bild, dem ich jetzt näher bin als vorher von der psychodelischen Ecke aus.
Kurz setze ich mich auch heute Scheibls Glut in R aus –
nehme die Abstrahlung auf. Es ist ein Wahnsinn, was hinter den Fassaden ist; es
ist nicht zu fassen!
Mit einem fast (nur fast!) eleganten Schwung drehe ich mich
auf der Bank sitzen bleibend, die Beine in die Höh, zu Cecily Brown um und
lasse mich darin ein wenig verlieren (bin beim Drehen mehrmals stecken
geblieben! Nicht in einem Schwung gelungen).
Während ich gedankenverloren, in einer vordergründig
fast-Langeweile bei gleichzeitigem gespannten Lauern von meinem Hintergrund
heraus mich in die Farben und Formen der Zitronen, Kutteln und – wie ich zu
erkennen glaube: Pornos – kann aber auch meine Projektion sein – verliere,
merke ich, wie mein Kreuzschmerz und ich mich immer mehr verkrümmen (homo
incurvatus in se ipsum). Mein fehlendes Rückgrat gefährdet meine Existenz, naja
zumindest meine Kunstbetrachtung, naja zumindest mein Stehen und Sitzen. Ich
kann nicht sitzen bleiben, muß aufstehen und gehen. Aber so reiche Bilder die
zwei!
Aus den frühen Radierungen bin ich hinaus geflüchtet, wie
die gute Seele aus der Hölle, von mir aus auch wie der Teufel vorm Weihwasser -
wenn's beliebt, außer daß die handwerklich überragend sind, sagen sie mir nichts
(Sender – Medium – Empfänger; irgendwo ist der Hund begraben).
Aber jetzt raste ich vor den Radierungs-Räumen auf einer
Bank, wo ich meinen Rücken anlehnen kann und schaue zu Weiler's Mr. Batliner
hinüber – ein guter Beobachtungsplatz, auch wenn oder weil oft Leute meinen
Blick durchkreuzen. Ich liebe die Bilder von Weiler, seinen Farbauftrag, seine
Transparenz, seine schwebende Farbigkeit, was er – wenn ich das so sagen darf –
an Farbe und Abstraktem aus dem Konkreten herausholt. Ich erinnere mich noch,
wie bei einer Weilerausstellung (Künstlerhaus? Schon so lange her!) meine
Brust und meine Atmung sich geweitet haben und mein Herz und mein Geist
gejubelt.
Das wird für heute meine letzte Station sein. Meine Augen
freuen sich an dem Bild, aber mein Körper ist müde.
(15.2.2020)
©Peter Alois Rumpf,
Februar 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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