Montag, 2. Dezember 2019

1627 HaSS


Manchmal verstehe ich die Menschen voller Hass. Was heißt verstehen! Dann bin ich selbst so. Der Auslöser kann ein arroganter, geleckter Bankschnösel und Lackaffe sein und/oder einfach die Tatsache, bei überzogenem Konto mit 76 Cent im Geldbörsel herumzusteigen. Die monatlichen Kosten für meine Therapie gegen Depression übersteigen fast meine monatliche Pension und von der Krankenkasse bekomme ich bloß eine Teilrefundierung, weil alle Krankenkassentherapieplätze restlos auf Jahre ausgebucht sind, sodaß auch die Wartelisten voll sind. Dabei trau ich mich wetten, daß auf diesen Krankenkassenplätzen genug draufsitzen, die sich vom Einkommen her eine Therapie selbst finanzieren könnten; aber warum auf etwas verzichten, wenn ich den Staat, die Krankenkasse, die anderen ausnutzen kann?

Ja, manchmal verstehe ich die Menschen voller HaSS. Nicht nur, aber auch - weil das sind ja vorallem die HaSSer - die Rechtsradikalen: einfach dieser abgrundtiefe, durch nichts mehr bewältigbare HaSS, der sich nicht mehr belehren, aufklären, relativieren lassen will, weil das immer für die anderen besser ausgeht, der sich nicht mehr begutachten, testen, einteilen, benennen lassen will und wo es wurscht ist, auf wen oder was er sich richtet (nur nicht auf die Verursacher – redet mir die Vernunft drein). Macht kaputt, auch das, was euch gar nicht kaputt macht, sogar was euch helfen könnte. Blind wahllos, zerstörerisch, sehnsüchtig nach verbrannter Erde irregeleitet eine neue Chance erhoffend.

Blind, wahllos, zerstörerisch. Wenn ich in meine innere Hölle falle, ist genau dieser Dreck da, diese richtungslose Wut, dieser ganze Nazidreck und der, der sich im Laufe von Jahrhunderten der Bevormundung, der Obrigkeitsdiktatur, der Kinderkazets aufgestaut hat. Auch ich will dann nicht mehr reflektieren, nicht mehr einsehen, mich nicht mehr ständig in Frage stellen, mich nicht mehr korrigieren, mich nicht mehr verunsichern lassen, sondern zuschlagen bis zu Vernichtung. Ver-nicht-ung. Daß das nicht mehr ist.

Am heutigen Vormittag bin ich in dieser haltlosen Wut herumgelaufen auf meinen „Amtswegen“, an meinen unbeherrschbaren, wütenden Gesichtszuckungen konnte man das in aller Öffentlichkeit ablesen, nahe daran, irgendwelche lahmen Enten, die mir im Weg gestanden sind, umzurennen oder beiseite zu stoßen „aus dem Weg, ihr schwaches, dummes Gesindel!“

Keine Sorge, ihr lieben Leute, das alles spielt sich nur in meinem Kopf und auf meinem Gesicht ab. Bei mir sind an all meinen Impulsen schon die Verbotsschilder angewachsen. Kein Impuls hat eine Chance, unzensuriert (! at) durchzukommen. Was sofort meine Wut noch stärker anfacht und ich ärgere mich auch, daß ich nicht einfach etwas unhaltbares unkorrigiert hinschreiben kann, auch wenn ich mich damit ins Unrecht setze und der daraus möglichen Kritik ausliefere, sondern sofort meine Einsicht sich vordrängen muß. Ich seh es ein, ich seh es ein, ich seh es ein – pfui Teufel!

Aber mein Jammer ist groß. „Was soll aus uns bloß werden?“ Ja, was kann denn aus meinem Leben noch werden? Damit meine ich in erster Linie gar nicht mein Alter – das gilt natürlich auch – aber man kann ja mit siebzig noch aufblühen; nicht wie ein Zwanzig-Jähriger, aber eben wie ein Siebzig-Jähriger – aber wie komme ich gegen eine 66 Jahre dauernde Definition als Dreck und Versager an? Wie kann ich solch einen Berg noch abtragen?

Mit welchem Gefühl laufe ich denn mein mein ganzes Leben lang herum? Als jemand, der nicht leben sollte, weil nicht lebensstark genug, vorm vulgärdarwinistischen Tribunal nicht bestanden; und ich muß dies ständig verbergen; wenn das rauskommt bin ich geliefert (daß man mit dieser Wut genau deren Verursacher und ihre „Politik“ stärkt, ist ja keine neue Erkenntnis). Immer auf der Hut, nie wirklich entspannt, nie geschützt, nie selbstverständlich, immer alles rundherum abchecken müssen, ob Gefahr droht, immer ausgeliefert .. Ach! Das ist doch kein Leben!

Ich kann weder zu meiner Frau oder meinen Kindern oder sonst jemandem sagen: komm, gehen wir essen! Ich lade dich ein! Oder auf einen Ausflug. Oder ins Kino. Oder ins Theater. Oder in eine Ausstellung. Oder ins Museum. Oder in ein Konzert. Nein, kein Geld!

Sicher habe ich es in meinem Unterschlupf warm und hungere nicht; im Gegenteil: es gibt genug zu essen und jede Menge Kaffee … dank meiner lieben Frau. Aber wie immer sie es macht: wie soll ich mein peinliches Gefühl der Abhängigkeit abschütteln oder wenigstens aushalten? Sicher, es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als mein Schicksal in Demut zu akzeptieren.

Ich kann nicht auftreten und mein Recht und meinen Anteil einfordern. Es geht nicht. Ich fühle mich einfach wertlos.

Und dann kommt der Hass: wenn ich nicht aufblühen und leben darf, dann …

Keine Sorge! Ich komm aus meinem Gefängnis nicht raus. Ich kann mit Sprengstoff, Waffen und Aggressionen sowieswo nicht umgehen. Ich kann nur im Denken aggressiv sein. (Und natürlich stimmt diese Logik an allen Ecken und Enden nicht. So zum Beispiel würde jemand, der sein Gefängnis äußerlich und innerlich verläßt, keine Taten oder Phantasien von freisprengen oder freischießen mehr brauchen, sondern als selbstbestimmter Mensch in innerer Freiheit für sich sorgen und Entscheidungen treffen können, die nicht destruktiv sind. Das Bild vom "Wilden", der eingesperrt und unter Zivilisationszwang niedergehalten werden muß, ist falsch. Innen ist ein staunendes, leuchtendes, das Leben liebendes Wesen. Nur das Gefangensein macht es destruktiv. Das heißt aber auch, daß die ganzen ob harmloseren oder massenmörderischen Ventilaktionen - "die Sau raus lassen" - nicht befreien, sondern die Gefangenschaft nur verstärken.).








(2.12.2019)









©Peter Alois Rumpf,  Dezember 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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