Dienstag, 6. August 2019

1438 Hüben und Drüben


Mein Gehör macht sich selbständig und schnappt ein Wort auf, das nicht in dieser Welt gefallen ist. Verstanden habe ich es nicht, aber unter die ländlichen Morgengeräusche wie auffällig seltene Vogelrufe, Pendlerverkehr, den Fluß und  meinem heftigen Ohrensurren hat sich ein Wort in einer anderen Sprache geschoben wie ein akustisches Menetekel.
Es ist schon hell, weißer Dunst liegt auf der Landschaft. Auch hier an diesem herrlichen Ort kämpfe ich gegen das Einschlafen.
Meine Erinnerung spielt mir einen Streich und liefert mir eine geile Szene von gestern Abend, die gar nicht stattgefunden hat. Jetzt liefert mir mein ver-rücktes Gehör das Zischen und Pfauchen unserer Kaffeemaschine – dabei will ich jetzt noch gar keinen Kaffee.
Vor meinen  Augen taucht ein Riesenbehälter für mein Gebiss auf, mindestens ein Meter lang, und will mir einreden, daß ich seit Neuestem einen solchen brauche. Ich laß mich nicht für blöd verkaufen.
Ich höre hysterisches Panikgeschrei – nicht von dieser Welt – und gleich darauf einen realen Knall – ähnlich wie von Bretterabwerfen, aber dafür zu kurz. Mein Bett knackst unmotiviert, denn äußerlich bewege ich mich nicht. Auch das Vogelgezwitscher, das ich endlich, jedoch nur in meinem linken Ohr höre, ist nicht von dieser Welt.

Ich beschließe, den Kampf gegen das Einschlafen aufzugeben und lege mich flach. Sogleich spricht mich von drüben meine Frau an und murmelt etwas unverständliches zu mir – ich wußte gar nicht, daß ich auch drüben verheiratet bin.

Plötzlich ein verhalten, trockenes Donnern, das mich aus dem Schlaf reißt, aber es war meine reale, realistische, hiesige Frau, die sich im Bett umgedreht hat. Dann steht sie auf und will zwanzig Minuten atmen.

Ich soll das auch unterschreiben und habe keine Ahnung, worum es geht (ich habe eine meiner Schwestern in Verdacht).

Wann und wo soll das gewesen sein? Es ist Winter, wir sind Kinder und werfen Schneebälle auf fahrende Autos.
Ich gehe in den Nebenraum (drüben!) nachschauen.

Ich schlage die Augen auf und alles ist ganz anders: der Raum  niedriger und abgedunkelt.

Das piepsende Handy meiner meditationsversunkenen Frau reißt mich aus dem Schlaf, daß ich vor Schreck wie ein Seismograph mit meiner rechten Hand, die so tapfer war, auch während meines Schlafes den Kugelschreiber zu halten, aber eben vor Schreck auszuckt, eine kleine Graphik auf Papier kritzelt, die bei einigem guten Willen wie ein großzügiges, verschnörkeltes W ausschaut.
Meine Ohren intensivieren ihre Existenz und besonders das linke ist knapp davor, auf Reisen zu gehen.

Meine Frau sitzt still, schweigend und unbeweglich im Lotussitz vorm offenen Fenster und bietet sich dem Universum dar, dafür redet sie auf der anderen Seite drüben intensiv auf mich ein, sobald ich in den Traummodus rutsche.







(2.8.2019)







©Peter Alois Rumpf  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



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