1438 Hüben und Drüben
Mein Gehör macht sich selbständig und schnappt ein
Wort auf, das nicht in dieser Welt gefallen ist. Verstanden habe ich es nicht,
aber unter die ländlichen Morgengeräusche wie auffällig seltene Vogelrufe,
Pendlerverkehr, den Fluß und meinem
heftigen Ohrensurren hat sich ein Wort in einer anderen Sprache geschoben wie
ein akustisches Menetekel.
Es
ist schon hell, weißer Dunst liegt auf der Landschaft. Auch hier an diesem
herrlichen Ort kämpfe ich gegen das Einschlafen.
Meine
Erinnerung spielt mir einen Streich und liefert mir eine geile Szene von
gestern Abend, die gar nicht stattgefunden hat. Jetzt liefert mir mein
ver-rücktes Gehör das Zischen und Pfauchen unserer Kaffeemaschine – dabei will
ich jetzt noch gar keinen Kaffee.
Vor
meinen Augen taucht ein Riesenbehälter
für mein Gebiss auf, mindestens ein Meter lang, und will mir einreden, daß ich
seit Neuestem einen solchen brauche. Ich laß mich nicht für blöd verkaufen.
Ich
höre hysterisches Panikgeschrei – nicht von dieser Welt – und gleich darauf
einen realen Knall – ähnlich wie von Bretterabwerfen, aber dafür zu kurz. Mein
Bett knackst unmotiviert, denn äußerlich bewege ich mich nicht. Auch das
Vogelgezwitscher, das ich endlich, jedoch nur in meinem linken Ohr höre, ist
nicht von dieser Welt.
Ich
beschließe, den Kampf gegen das Einschlafen aufzugeben und lege mich flach.
Sogleich spricht mich von drüben
meine Frau an und murmelt etwas unverständliches zu mir – ich wußte gar nicht,
daß ich auch drüben verheiratet bin.
Plötzlich
ein verhalten, trockenes Donnern, das mich aus dem Schlaf reißt, aber es war
meine reale, realistische, hiesige Frau, die sich im Bett umgedreht hat. Dann
steht sie auf und will zwanzig Minuten atmen.
Ich
soll das auch unterschreiben und habe keine Ahnung, worum es geht (ich habe
eine meiner Schwestern in Verdacht).
Wann
und wo soll das gewesen sein? Es ist Winter, wir sind Kinder und werfen
Schneebälle auf fahrende Autos.
Ich
gehe in den Nebenraum (drüben!) nachschauen.
Ich
schlage die Augen auf und alles ist ganz anders: der Raum niedriger und abgedunkelt.
Das
piepsende Handy meiner meditationsversunkenen Frau reißt mich aus dem Schlaf,
daß ich vor Schreck wie ein Seismograph mit meiner rechten Hand, die so tapfer
war, auch während meines Schlafes den Kugelschreiber zu halten, aber eben vor
Schreck auszuckt, eine kleine Graphik auf Papier kritzelt, die bei einigem guten
Willen wie ein großzügiges, verschnörkeltes W ausschaut.
Meine
Ohren intensivieren ihre Existenz und besonders das linke ist knapp davor, auf
Reisen zu gehen.
Meine
Frau sitzt still, schweigend und unbeweglich im Lotussitz vorm offenen Fenster
und bietet sich dem Universum dar, dafür redet sie auf der anderen Seite drüben intensiv auf mich ein, sobald ich
in den Traummodus rutsche.
(2.8.2019)
©Peter Alois
Rumpf August 2019 peteraloisrumpf@gmail.com
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