Donnerstag, 21. Februar 2019

1256 Meine Spezialität


Im Hinterzimmer. Die weibliche Klotür geht ständig auf und zu und bei jeder Bewegung dort schaue ich unwillkürlich hin. Ich werde es mir abtrainieren, denn der Übertritt vom Klo in die offene Wirklichkeit ist für alle – Männer wie Frauen – nicht leicht. Oder? Dann vielleicht nur für die Hochsensiblen und Traumatisierten.

Eine Kerze im Riesenglas leuchtet und flackert freundlich. (Gelungen! Nicht hingeschaut!)
Die einen reden, die anderen schreiben am Laptop. Der Spiegel zeigt nur die Scheitel der Vorbeigehenden, zu tiefer gehenden Spiegelungen hat er keinen Auftrag.
Diese Fünfzigerjahreästhetik hat schon was; nur die bunten Kugeln zum Schutz der vom Kopf abgenommenen und dann aufgehängten Hüte am Kleiderständer wirken aufgesetzt. (Gelungen! Nicht hingeschaut!)
Jetzt ist doch das Gesicht der Chefin im Spiegel aufgetaucht. Schnell habe ich weggeblickt, damit sie mich nicht ertappt.
Die großen runden Löcher in den Holzlehnen der Sessel: rührend. Aufstellung: 343. Die Fußballsaison startet auch bald wieder.
Mein letztens bewunderter Laptopschreiber hat möglicherweise Kreuzschmerzen.
Einer mit vorgeschobener Habsburglippe starrt ins Smartphon.
Ich schaue herum.
Das Hinterfenster zeigt Parkplatz und Mauer, die unten grau und oben weiß ist, welches letztere ich zunächst für Nebel gehalten habe.
Diese fünfzigerjahre „Gold“knopfnägel an der gepolsterten weiblichen Tür! (Die männliche ums Eck ist unge- nein! ebenfalls gepolstert! Ist mir noch nie aufgefallen.)
„Hallo! Ach!“ tönt es herüber, aber nicht zu mir.
Die weibliche Dreifaltigkeit bricht auf.
Hinter mir übrigens das Bild einer nackten Dame, die ich nicht im Spiegel sehe.

Lassen wir es und lesen wir den Falter.
„Ich war überrascht!“ - habe ich hergeschrieben, weil ich es aufgeschnappt habe.
Ich warte auf den nachmittags Zahnarzttermin, bis er ins Dort und Jetzt kommt. Zu früh zum Hingehen, zu spät noch etwas anderes anzufangen.

Warten ist meine Spezialität. Wenn in fünf Stunden ein Termin auf mich zukommt, kann ich nichts anderes mehr machen, als darauf warten. Zur Zeit auch nur einen Termin pro Tag.
Meinen heutigen, mir selbst gesetzten Vormittagstermin auf der PVA habe ich embyoverkrümmt vor Angst im Bett verstreichen lassen und auf morgen verschoben, dann zwischen ekelhaften Schuldgefühlen und erleichtert erlaubtem Genuß hin und her pendelnd.

Es ist noch viel Zeit, aber ich werde aufbrechen.









(18.2.2019)











©Peter Alois Rumpf  Februar 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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