Montag, 11. Februar 2019

1248 Der versprochene Katzentext


Aufgewachsen bin ich ohne Haustiere und ich kann mich auch nicht daran erinnern, daß ich jemals einen Wunsch nach einem Haustier geäußert oder auch nur gehabt hätte. Dafür hatte ich schon zu sehr Mutters „da machen wir kein so ein Gschisti-Gschasti!“ internalisiert und Angst vor allem Lebendigen. Vor Hunden zum Beispiel fürchtete ich mich überhaupt sehr und als mir einmal ein Schäferhund, der unsere BUWOG-Siedlung (damit ihr seht, ich weiche auch keinen Skandalen aus) - keine Ahnung von wo – besucht („heimgesucht“ wäre ein schöneres, aber mißverständliches Wort) und mich aus der ganzen Kindergruppe ausgewählt hat, mir das Gesicht abzulecken, habe ich es in meiner großen Angst nicht als Ausdruck von Mitgefühl und Zuneigung, auch nicht als Versuch, mir zu zeigen, daß ich keine Angst haben brauche und er mir wohlgesonnen ist, verstehen können, sondern ich bin erstarrt dagesessen, habe es nicht gewagt, mich zu rühren, noch dazu, wo mir die anderen Buben eingeredet haben, daß er zubeißen würde, wenn ich mich bewegte und es überhaupt ganz furchtbar wird, wenn er meine Angst riecht. Ihr Lachen habe ich auch nicht durchschaut in meiner Angst.

Eine Katze war auch nie ein Thema (erst wie ich nach Graz übersiedelt bin, bekam mein „kleiner“ Bruder, der größer ist als ich, einen Kater, der Peter genannt wurde). Hasen, Hamster & Co kamen sowieso nicht in Frage. Und auch für mich galt, daß ich sehr tierskeptisch war: wer weiß, was so einem Tier einfällt.

Die Katzenwende kam dann so: Ich lebte schon in „meiner“ Grazer WG und Ali wollte unbedingt eine Katze und hat sich deswegen einen jungen Kater zugelegt, den er Shir Khan nannte und zu einem ordentlichen Kämpfer trainieren wollte (hier würde ich, wenn es in seriösen Texten erlaubt wäre, ein zwinkerndes und damit relativierendes Smiley einsetzen, um auszudrücken, daß das mit dem „Trainieren“ nicht so ernst zu nehmen ist). Natürlich war auch ich schnell hingerissen von dem Katzenkind, aber in mein Zimmer ließ ich ihn nicht; noch dazu, wo es wegen falscher Katzenkistlbefüllung gewisse Probleme gab.

Bei einem Besuch in einer Frankfurter WG vorher hatte ich nämlich die Freuden einer katzenverpissten und verschissenen Wohnung kennen gelernt. Nebenbei gesagt: auch die Geschirrabwasch- , sorry!, die Geschirrspülregelung war dort eher defensiv; das hieß: alles Geschirr ist dreckig, und wer was braucht, muß sich eben das Benötigte abwaschen, äh!, abspülen. Ja, wir taten uns nach der Abschüttelung der alten, elterlichen Ordnung schwer, sinnvolle neue Wege zu finden. Bei uns in unserer Grazer WG haben zumindest der Ali und der Rudi dafür gesorgt, daß wir wenigstens einmal im Jahr den einer „natürlichen“ und ansonsten durch keine künstlichen Eingriffe behinderten Weiterentwicklung des Küchenbodens durch Abschaben mit einer Spachtel dann doch einer radikalen Reinigung unterzogen haben. Aber jetzt geht es vor allem um meine Katzenskepsis.

Wie schon gesagt, freilich war es süß, wenn dieser kleine Kater herumgeturnt, - gehüpft, -geklettert ist, miaut hat, Kontakt zu uns gesucht hat, beim Streicheln geschnurrt hat oder so lieb wo geschlafen hat – Ali hat dann immer gesagt, er verstehe schon, daß der Prophet einen Ärmel seines Kleides hat abschneiden lassen, weil eine Katze darauf eingeschlafen ist und er sie beim Weggehen nicht aufwecken wollte – aber in mein Zimmer? Njet!!! (Ich weiß, drei Rufzeichen sind auch nicht ganz seriös!)

Es war dies die Zeit meines täglichen abendlichen „Weggehens“ und mehr oder weniger trunkenen Zurückkommens. Ich hatte dabei eine erstaunliche Disziplin entwickelt: jede Schallplatte kam wieder in ihre Hülle. Den Deckel des Plattenspielers habe ich nie vergessen, wieder draufzugeben (gegen ein mögliches Verstauben). Mein Gewand, meine Schlüssel etc. habe ich immer am dafür vorgesehenen Platz abgelegt. Ich brauchte mir vorm Einschlafen nur vorsagen: „Sieben Uhr aufwachen!“ (was aber eher selten vorkam), aber dann war ich um sieben Uhr wach. Ohne Wecker. Und: ich habe nie vergessen, meine Zimmertür zu schließen, weder beim Weggehen, noch beim Nachhausekommen.

Einmal war ich jedoch so besoffen, daß ich es gerade irgendwie nach Hause geschafft habe, schwer torkelnd, mühsam die Stiegen hinauf, mit dem Ziel, nur mehr ins Bett zu kommen. Als ich dann am nächsten Tag aufgewacht bin, hatte ich einen ordentlichen Kater und mir war furchtbar schlecht. Allmählich merkte ich, daß da nicht nur inwendig ein Kater war, sondern auch außen auf Schultern und Hals. Und der schnurrt. Da war es um mich geschehen und der Katzenbann gebrochen. Ab jetzt durfte er immer zu mir kommen und hat oft bei mir geschlafen. Das ging so weit, daß der Kater – weil ich gerade angefangen hatte, mich zu zwingen am Rücken zu schlafen – er es auch versuchte. Ich wachte am Morgen auf und mein neuer Freund lag neben mir an mich geschmiegt, ebenfalls am Rücken und seine vier Pfoten in die Luft gestreckt.

Später dann in Wien wurde ich zum „Papa“ des Katzenmädchens Roxy („Ersatz“ für ein „zurückgeschicktes“ Kind) und natürlich hat sie mich jederzeit um den Finger gewickelt. Meine damalige Gefährtin und vor allem ich haben um diesem Katzenkind großes Aufhebens gemacht, besorgten Eltern nicht unähnlich.
Da es dort einen ungesicherten Dachgarten gab, haben wir die Katze an den freien Himmel und an die Leine gewöhnt. Trotzdem war sie eine echte Wohnungskatze, denn einen Garten, wo sie frei herumlaufen hätte können, gab es nicht.
Wenn ich unser Herumtun mit dieser Katze wie ein Unbeteiligter von außen betrachtet hätte, hätte ich sicher gesagt: die spinnen, die zwei! Was die mit der Katze aufführen! Eine Leine! So etwas Blödes! Von innen hatte das aber alles seine Logik und Folgerichtigkeit. Aber den Höhepunkt an Absurditäten (von außen!) erreichte das Ganze bei einem Ausflug ins Waldviertel.

Freunde hatten uns eingeladen, ein paar Tage im nördlichsten Haus Österreichs (dem wirklich nördlichsten!) zu verbringen und uns im Auto hinzufahren. Unsere geliebte Roxy zurückzulassen kam nicht in Frage.. Meine Gefährtin – umsichtig und genial in praktischen Lösungen – bereitete eine kleine Plastikschüssel mit Katzenstreu vor für die Reise und wir stellten das hinten zum Gepäck. Auf der Fahrt war die Katze zuerst bei uns, dann begann sie herumzusteigen und letztlich legte sie sich hinten auf dem Berg von Gepäck. Den Freunden, die uns mitnahmen, kam unser Theater mit der Katze ziemlich deppert vor, überhaupt das Viech mitzunehmen und dann noch mit Leine.

Nach einem guten Stück der Reise bemerkten wir Katzeneltern, daß unser Kind zunehmend unruhig wurde und hinten nervös herumkletterte. Wir beide wußten: sie muß aufs Kisterl, findet sich aber in dieser Situation im fahrenden Auto – von innen verständlich – nicht zurecht.
Wir baten den Fahrer anzuhalten. Der jedoch hielt uns für übergeschnappt und weigerte sich. Erst nach mehrmaligen Bitten und nachdem wir ihn eindringlich darauf aufmerksam gemacht haben, daß die Katze sonst sein Gepäck anbrunzt und anscheißt, blieb er deutlich verärgert am Straßenrand stehen und wir Katzeneltern stiegen aus dem Auto, nahmen Katze mit Leine, Reisekisterl mit Katzenstreu heraus, erklommen den Feldrain, der höher als die Straße lag, und stellten das Kisterl in die Wiese, wir beide links und rechts davon, und unter gutem Zureden unsererseits verrichtete die Katze mit gleichgültiger Miene und wie eine Königin ihr Geschäft in die dafür bereitete Toilette.

Für die anderen – von außen – muß das ein absurder, hirnrissiger und total dekadenter Anblick gewesen sein: Eine Katze scheißt in einer großen Wiese in ein Kisterl, flankiert von ihrem höfischen Personal, das wachend danebensteht und der Katze gut zuredet. (Von innen ist das logisch: sie kannte keine Wiese, war vom Autofahren überfordert, denn das kannte sie auch nicht; nur ihre vertrauten Bezugspersonen konnten ihr Sicherheit und Ruhe geben. Ich finde, das Vertrauen und die Flexibilität von Roxy waren großartig!)

Als wir dann im nördlichsten Haus dort wohnten, bin ich mit Roxy – die übrigens ein ausgesprochen schönes Fellkleid hatte, nämlich bläulich-grau, zart rosa und weiß – an der Leine in den Wald gegangen, weil wir das Risiko, daß sie unangeleint zu unserer Rückfahrt in ein paar Tagen nicht rechtzeitig zurückkommt, nicht eingehen wollten. Auch das muß von außen ganz meschugge ausgesehen haben: da geht ein Idiot mit einer Katze an der Leine durch den Wald (verirrt sich fast auf tschechoslowakisches Gebiet), die Katze klettert begeistert die Bäume hinauf, soweit halt die Leine reicht (und die war lang) und dann muß sie wieder herunter.
Aber ich habe ihr dabei das Scheißen in freier Natur beigebracht: als wir an eine sandige Stelle gekommen sind, habe ich mit dem Finger darin zu kratzen und zu wühlen begonnen, was unsere g'scheite Roxy gleich nachgemacht und dann kapiert hat, daß man so eine Stelle als Klo nutzen kann. Ab da war das Geschäft im Freien kein Problem mehr.

Ein paar Mal bin ich dann in Wien in der Nacht mit Roxy an der Leine in ein Lokal gegangen. Sie hat sich auf die Zeitungsablage – also ungefähr gleiche Höhe – gelegt und wenn ich aufs Klo mußte, habe ich Griff und Rolle der Leine zu ihr gelegt und gesagt: „ich geh jetzt aufs Klo. Bleib da sitzen, ich komme gleich wieder.“ Das hat funktioniert, wie ich überhaupt mit ihr viel geredet habe. Am Rückweg beim Sandhaufen einer Baustelle hat sie routiniert ihr Geschäftchen erledigt.

Nach der Trennung von meiner Freundin ist dann der Kontakt zur Scheidungskatze spärlicher geworden, wenn ich auch noch eine Zeit lang der geborene Katzenhüter war.







(8.2.2019)










©Peter Alois Rumpf  Februar 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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