Mittwoch, 13. Februar 2019

1251 Entlassungsbericht


Das lieben die Ärzte: eine Sprache verwenden, die eindrucksvoll ausschaut (ausschauen soll) und fast niemand versteht. Gut, heute gibt es ja Internet.

Aber es ist schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man den Entlassungsbericht (Uii! Da ist man sprachlich schon sehr nahe der Behördenbürokratie und dem Aus-dem-Gefängnis-entlassen) vom REHA-Aufenthalt in der Hand hält und liest (gut, daß man den in die Hand bekommt!). Nicht, daß da etwas Gravierendes falsch wäre oder gar unfreundlich, nein! Aber es ist so etwas wie ein Urteil.

Bin ich froh, daß es bei meinem Tod einen anderen „Gerichtshof“ geben wird! Etwas anderes als ein Ärztekomitee, oder ein Femegericht durch einen Stuhlherren (Petri Stuhlfeier), oder die Verurteilung durch den Clan, weder Inquisition noch Lynchjustiz.

Damit kein Mißverständnis aufkommt: der Entlassungsbericht ist korrekt und für mich hilfreich, auch den „Behörden“ und Institutionen gegenüber. Letztlich jedoch möchte ich sub specie aeternitatis beurteilt werden; das zählt für mich wirklich. (Schade, daß der Döbereiner so ein Arschloch war, ihm habe ich das zugetraut! - aber das war vermutlich einer der schwersten Fehler meines Lebens.)

Was mein „letztes Gericht“ betrifft: da habe ich größtes Vertrauen, daß es angemessen, mitleidslos, aber mitfühlend, gerecht und wahrhaftig sein wird, egal, ob mich im Sterben meine abgetriebenen Kinder oder Jesus Christus abholen werden. Schwierigkeiten befürchte ich, wenn mich Vorfahren abholen: ob sie wirklich schon entsprechend geläutert sind? Und mir nicht bloß ihren Mist aufladen und mich beschimpfen wollen? Ob einer von denen zu mir „danke!“ sagen würde, weil ich seinen Dreck aufräumen mußte (hätte müssen)? Ich wüßte nicht, wer von den Vorfahren, von denen ich weiß, ein freundliches Wort für mich haben sollte. Aber ich lasse mich gerne überraschen.

So absurd es klingt, aber wer immer mich abholen kommt, wenn es kein Arschloch ist, werden wir beim Betrachten meines ablaufenden Lebensfilms sehr viel zu lachen haben. Und weinen. Einige Stellen werden auch schrecklich und schmerzhaft sein, vor allem wo es um die Folgen meiner Handlungen gehen wird. Genauso wie es angemessen ist wird es sein. Alles da, was zu einem guten Film gehört. Ob es ein Happy End geben wird, wird sich weisen. Beziehungsweise hoffe ich, bis zum Bereich, wo es kein gut und böse mehr gibt, mithalten zu können („Jenseits der Idee von gut und böse liegt eine Wirklichkeit, dort werden wir uns treffen.“ Dschalal ad-Din Muhammad ar-Rumi) und daß ich weder weglaufe, noch vorher einschlafe, noch daß es mich vorm Ende des Film im Schock zerreißt.

Trotzdem gilt: auf diesen Kinobesuch freue ich mich jetzt schon und ich werde garantiert nicht im falschen Film sitzen.



(13.2.2019)





©Peter Alois Rumpf  Februar 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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