963 Das innere Mühlrad
Das innere Mühlrad dreht sich langsam und schwerfällig. Was
wird zermalmt? Oder ist Sand im Getriebe? Wie stark sind die Mühlsteine und wie
stark ist das Mahlgut (oder schlecht)? Heute morgen höre ich ausgezeichnet. Ich
höre die Stadt rauschen: frisch und klar und urban-optimistisch. Geschäftigkeit
und Autoverkehr geben Schwung. Ich kannte das auch einmal, zumindest in
Ansätzen und phasenweise. Die Stadt singt geradezu.
Mein Bewußtsein scheint mir in Hals und Kinn zu stecken, mit
zwei Strängen rauf zu den Augen. Ich versuche, mein Bewußtsein mit dem Lift
weiter nach unten zu fahren, aber es schnellt wieder herauf. Ich lausche wieder
dem polyphonen Gesang der Stadt, der von einem tiefen, ernsten, orchestralen
Röhren unterlegt ist.
Wenn das alltägliche menschliche Bewußtsein eine Insel ist,
dann ist das Unbewußte das Meer rundherum. Freuds Unterbewußtsein ist bloß der
Bereich in Ufernähe, wo der ganze menschliche Mist und Abfall herumliegt. Der
wirklich interessante Bereich beginnt erst jenseits davon, jenseits der
Müllhalden. Das nur so nebenbei, weil ich gerade aufs Bücherregal und dort auf
Freuds Gesammelte Werke gestarrt habe.
Ich hatte vor, eine Arbeit zu schreiben, in der ich Freud
auf den Kopf stelle oder vom Kopf auf die Füße. Das werde ich aber nicht
schreiben – ob aus Einsicht in meinen Größenwahn oder aus Träg- und
Hoffnungslosigkeit – das weiß ich nicht. So weit ist der Zermahlungsprozeß
meiner Hoffnungen und Ideen, Einfälle und Vorhaben, Eingebungen und Illusionen
noch nicht fortgeschritten; nur so weit, daß ich sie nicht mehr ausführen kann.
(Ich bin keiner, der nur für die Schublade schreiben kann; ich bräuchte meine
Auftritte.) Oh! Ich muß mich von so vielem verabschieden!
Dann müssen sich die Götter halt jemand anderen suchen.
(4.6.2018)
©Peter Alois Rumpf Juni
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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