954 I Herz Mistakes
(Mitternacht (SZ). Welche Gespenster kommen? Keine. Doch! In
Form von Gedanken. Angstvolle Gedanken (Hoffentlich keine Zukunftsvisionen!
Aber ich bin eh beim Arzt!), die Böses hervorholen wollen (Ich fürchte nicht um
mich, sondern um euch und unsere Kinder und Kindeskinder). Ich wehre mich. Ich
lasse sie ins Leere laufen und verschwinden.)
Sechseinhalb Stunden später:
Meine alte Freundin, die Angst, macht ihre Morgenaufwartung
und besucht mich am Bett, gleich nach dem Aufwachen. Sie muß ganz aufmerksam
gewartet haben, bis ich die Augen aufgeschlagen habe.
Das Leben rundherum gewinnt an Fahrt – um einmal eine
vermutlich falsche und äußerst verdächtige Metapher zu verwenden – aber ich
werde noch etwas weiterschlafen.
Frau Angst, was willst du von mir? Heute und überhaupt?
Kämpfen und Flüchten kann ich nicht, denn du lähmst mich. Damit ich mich
totstelle? Ist die Gefahr noch immer so groß? Vierundsechzig Jahre lang? Die
Zeiten, wo der erstgeborene Sohn dem Moloch geopfert werden mußte, sind doch
schon längst vorbei! Oder? Was von deiner Botschaft habe ich noch immer nicht
verstanden?
Die Konzentration um diese für mich nachtschlafene Zeit (auf
meinem Schreibtisch liegt ein Radiergummi mit der Aufschrift: I Herz mistakes)
fällt mir schwer. Die Augen fallen mir immer wieder zu, während ich auf die
Antwort warte. Der Knoten im Bauch löst sich dabei vorerst nicht auf. Ich denke
an den Grimming und seine Steinschläge und Todesopfer. Bei diesem Thema waren
wir schon. Gut, ich will nicht ungeduldig sein. Beim geduldigen Warten und
Spüren schlafe ich wieder ein.
Ich bin eingetunkt, wie man bei uns zu Hause gesagt hätte.
Dabei taucht eine falsche Erinnerungsszene auf, denn der Kindergarten war nie
im alten Volksschulgebäude, sondern im ersten Stock eines Nazibaus, wo man bis
vor ein paar Jahren noch das Hakenkreuz an der Außenwand durch die dünne
Übertünchung durchschimmern gesehen hat. (Die Hausnummer, wo ich aufgewachsen
bin, war übrigens 88.)
Habe ich mich jetzt von meiner Angst ablenken lassen?
Ich schaue nach. Oh! Jetzt habe ich geträumt, daß ich ein paar ganz wichtige
Sätze – die Antwort der Frau Angst – aufgeschrieben habe und mit dem
Augenaufschlag hatte ich sie schon vergessen. Sie stehen nicht auf dem Papier.
Eingetunkt habe ich versucht, sie wieder zu finden – oder
waren das schon wieder andere Sätze und Bilder? Auch sie sind nach dem
Auftauchen weg.
Jetzt löst die Frau Katz die Frau Angst ab und setzt sich
mit einem Sprung zu mir aufs Bett.
Ich betrachte irgendwelche Schaufenster (in Paris?), aber
was ich da zu sehen bekomme, hält der Realität nicht stand und hat sich
aufgelöst.
Frau Angst, kann ich mich darauf verlassen, daß Sie jetzt
weg sind? Ich meine für heute. Keine Antwort, aber darauf folgt ein tiefer
Atemzug. Und darauf wieder entglittene Sätze, Bilder und (Pseudo?)Erinnerungen.
Frau Katz meldet sich und meint, ich hätte mich jetzt mit
ihr zu beschäftigen.
Zwei traumhafte und riesige Insekten tanzen vor meinem
Gesicht herum. Als ich sie verscheuchen will, zuckt meine rechte Hand, die auf
der Katze gelegen ist.
Wieder eingetunkt locken mich etwas Ver- Zensur! und etwas
Vergangenes. Schnell bin ich wieder heraufgeschnellt.
So! Jetzt wird mir dieses Hinundhergependel zu blöd:
schlafen oder aufstehn! Entscheide dich!
Mir fallen meine als Notizbuchstützen aufgestellten Beine um
und werde so wieder aus dem Schlaf gerissen. Die Kirchenglocken, die ich
eigentlich gern höre, läuten heute unangenehm hektisch und wie verrückt. Wieder
ein paar Sätze in die Traumwelt und nicht ins Notizbuch geschrieben. Ein
mittelgroßer, unheimlicher, ganz schwarzer Autobus kommt von links. Ich strecke
meine Beine und lasse das Notizbuch umfallen. (Diese Schreiberei hat in Echtzeit
zweieinhalb Stunden gedauert.)
(23.5.2018)
©Peter Alois Rumpf Mai
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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