958 Ich brauche eine dichterische Schußwaffe
Als ich heute wieder einmal aufwachend in die angebliche
Wirklichkeit gleite – nicht so direkt, sondern einen Meter vor, zwei Meter zurück,
dann umgekehrt, dann drei zu eins – begleitet von Traumbildern meines
Aufenthaltes in einer noblen Wohngemeinschaft, deren Bewohner aber alle
irgendwie verwandt zu sein scheinen, einen dürren, alten Herrn gibt es auch,
vielleicht bin ich in einen aristokratischen Familiensitz eingezogen –
dazupassen tu ich jedenfalls nicht – ich komme mir wie ein plumper, fetter
Prolet vor – ich weiß auch nicht recht, wie man sich hier benimmt – mir fällt
auf, daß ich öfters solche WG-Träume habe – das Zimmer ist – wie immer in
diesen Träumen – ziemlich schäbig und jetzt habe ich gar kein eigenes, sondern
bin in einer Ecke des Zimmers eines anderen untergebracht. Sie reden kaum mit
mir und in ihren Augen sehe ich Entsetzen und Bedauern über mich, besonders
beim alten, dürren Herrn – ihre Höflichkeit verbietet es ihnen, mich gleich
rauszuwerfen oder direkt auf mein falsches Benehmen und Reden hinzuweisen – wie
auch immer – wie ich da im Aufwachen so hin und hergleite – begleitet von
plötzlichen, kurzen Angstanfällen, Molekülen der Übelkeit und alle anderen
Aufwacherscheinungen – da fällt mir ein: ICH BRAUCHE EINE DICHTERISCHE
SCHUSSWAFFE!
So kann es mit der Schreiberei nicht weitergehen! Ich muß
mich freischießen! Wen oder was ich da erschießen muß, weiß ich noch nicht; das
wird sich schon zeigen, oder? Oder geht es um einen literarischen Amoklauf?:
Freie Bahn für einen freien Schreiberling!? Alles, was so an mich herangekrochen
kommt: erschießen! Alles, was sich mir in den Weg stellt: erschießen!
Schriftsteller sind es nicht, die ich erschießen muß; es
sind andere Figuren.
So! Jetzt setzt der Regen ein und ich werde gleich ruhiger
und friedlicher. Er bringt ein wenig Erlösung.
(25.5.2018)
©Peter Alois Rumpf Mai
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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