734 Das Abenteuer
Das Abenteuer, den linken Zeigefinger, der sich im
Halbschlaf in den Papierseiten meines Notizbuches verfangen hat, zu befreien -
und zwar mit einem kraftvollen, plötzlichen Ruck - löst einen richtigen
körperlichen Schock aus, sodaß ich aufgewacht bin. Und jetzt beginne ich
wieder, in den Dämmerzustand, in dem ich auf Inspiration und Einfälle warte
(Einfälle: von wem eigentlich? Wer fällt ein? „Inspiration“ scheint klar),
hinabzusinken. Schon sind die Gedanken und Sätze wieder zerfallen und die
Traumwelt ergreift mehr und mehr Besitz von meinem Bewußtsein. Die Katze mit
ihren Aufforderungen, sie zu streicheln, holt mich an die Oberfläche zurück.
Nichts für ungut, liebe Katze, aber du hältst mich davon ab, einen tiefen Text
zu schreiben! ... Nun streichel ich dich sogar ganz unaufgefordert, einfach aus
einer textresignativen Haltung heraus, weil mir sowieso nichts einfällt.
Im Flüsterton frage ich die mir hinter ihrem Schreibtisch
gegenüber sitzende junge Beamtin; aber was, das ist mir entfallen.
„Nein, lieber Peter“, sagt eine andere Frau, „du bist nicht
im falschen Film. Das sind deine Bilder, mit denen du dich auseinandersetzen
mußt.“ Den zweiten Satz habe ich möglicherweise erfunden; sicher bin ich mir
nicht. Vielleicht habe ich ihn doch herübergerettet.
Erstaunt und verwirrt starre ich auf die Bücherwand
gegenüber, bevor ich die Augen wieder schließe.
Jetzt bin ich einer wichtigen Sache auf der Spur - es geht
um Erziehung - wo ich bloß eine Rolle gespielt habe und nicht ich selber war.
(Wer, zum Teufel!, ist „ich selber“?)
Es läutet an der Tür, aber das gilt nicht mir. Verdammt,
warum tust du so herum und gehst nicht einfach an die Tür und betätigst den
Türöffner? Zuerst bist du noch ruhig dagesessen – soweit ich es mitbekommen
habe – und jetzt, wo es läutet, fängst du mit Herumräumen an. Was soll diese
Verzögerungstaktik! Aber das geht mich nichts an. Naja, mein passiv autoritärer
Charakter hält es nicht aus, daß jemand beim Läuten nicht sofort aufspringt und
zur Tür rennt. Dabei ist sich eh alles gut ausgegangen. Flucht vom eigenen
Unbehagen in Fremdbeschuldigungen.
Ich möchte wieder in den Halbschlaf versinken, aber es geht
nicht mehr, durch meinen Ärger bin ich endgültig in der Alltagswelt verfangen.
Und jetzt, nach einer halben Stunde, bin ich bereits von der
Inquisition bedroht. Gott (!) sei Dank!, ich bin wieder eingeschlafen.
(21.7.2017)
©Peter Alois Rumpf
Juli 2017 peteraloisrumpf@gmail.com
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